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SCHÖNE Grüße (2): Karneval im Sechseck

Ab in die Ferien! In diesen Wochen frönen viele Menschen einer selten gewordenen analogen Tätigkeit: Sie schreiben Postkarten. Anlass für eine kleine Sommerserie. Diesmal: Ein Gruß aus Leverkusen

Für Postkarten-Fotografen sind Städte wie Leverkusen eine willkommene Abwechslung vom üblichen Sehenswürdigkeitengeschäft. Kölner Dom, Golden Gate Bridge, Eifelturm – kann doch jeder! Aber wie inszeniert man eine Industriestadt, die nur für Pillen und Profi-Fußball bekannt ist? Man tut zum Beispiel so, als gäbe es für Fans moderner Sechziger-Jahre-Architekur einiges zu entdecken. Und damit es nicht zu technisch-kühl wirkt, hat der Fotograf auf möglichst viel Grün im Bild geachtet.

Ich bin natürlich nicht drauf reingefallen, als mir meine alte Freundin Astrid diese Karte vor 15 Jahren zuschickte. Wir beide sind in Leverkusen zusammen in die Grundschule gegangen, wohnten in der gleichen Straße, spielten im gleichen Hockey-Team – alles nur ein paar hundert Meter vom Bayer-Werk entfernt. Damals haben wir Hässlichkeit unserer Heimatstadt noch nicht so bemerkt. Mittlerweile ist uns natürlich klar, dass sie optisch niemals etwas hermachen wird. Dass dort gelegentlich das halbe Zentrum eingerissen und neu aufgebaut wird, ändert daran leider überhaupt nichts.

Demnächst muss auch das abgebildete Hochhaus dran glauben, was schon ein wenig schade ist. In seiner schlichten Eleganz hat mir das zwischen 1960 und 1963 erbaute ehemalige Bayer-Verwaltungshochhaus immer gut gefallen. Mein Vater hatte eine zeitlang im siebten Stock sein Büro. Ich selbst musste als Werkstudentin manchmal etwas in der weit oben gelegenen Vorstandsetage abgeben, was mir immer einen tollen Ausblick auf den Rhein und das Firmengelände verschaffte. W1, so der offizielle Name des 122 Meter hohen Hauses, hatte einfach eine gute Aura. Es war souverän, ohne protzig zu wirken. Nach der Stilllegung hat der Konzern versucht, es mittels 5,6 Millionen Leuchtdioden zu einer gigantischen „Medienfassade“ umzubauen – was aber an technischen Problemen scheiterte.

Gut geht es hingegen dem städtischen Kulturzentrum „Forum“ (oben) von 1969, das kürzlich renoviert wurde. Hier finden nicht nur Konzerte, Theaterauffühungen und Feste statt. Ich kann mich noch an eine ziemlich lange, für mein kindliches Gefühl wenig witzige Karnevalssitzung erinnern, die der Verein meiner Eltern dort veranstaltete. Später gingen Astrid und ich im „Forum“ zu Konzerten der Leverkusener Jazztage oder zu den Abenden des Kommunalen Kinos. Der secheckigen Grundriss der Säle ist eigentlich ganz cool – vielleicht sollte man das auf einer Postkarte mal deutlicher herausstellen.

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