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Kultur: Schöne Leere

Christiane Meixner staunt über die Konsequenz einer Künstlerin.

Radikale Gesten hat es in der Kunst oft gegeben. Schwarze Flächen, zerschnittene Leinwände, Tierschlachtungen, Blutbäder, Blasphemie. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen und zeigt vor allem eines: dass mit jedem Jahrzehnt seit Anbruch der Moderne die Hürden für einen Tabubruch noch ein bisschen höher geworden sind. Wer regt sich heute schon über öffentliche Selbstbefriedigung auf, wenn eine Künstlerin wie Valie Export dies schon 1973 vor laufender Kamera praktzierte?

So oder so ähnlich muss Elke Krystufek gedacht haben, als sie für das Haus am Waldsee eine Performance der besonderen Art erdachte. Die Wiener Künstlerin gilt ohnehin als radikale Vertreterin ihres Genres. Doch was sie nun für Berlin inszeniert, hat Konsequenz bis ins letzte Detail. Sie zeigt: nichts!

An die Stelle des annoncierten „raumfüllenden Landschaftsgemäldes“ rückt eine leere Villa, deren Räume man bei Bedarf stundenlang ansehen kann. Denn Katja Blomberg hat die Herausforderung angenommen und spielt ihren Part als Direktorin des Hauses stoisch fort: Es gab die geplante Eröffnung samt Rede am 6. September, die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin in Berlin ist seitdem täglich zu sehen. Bloß bei freiem Eintritt und nicht ganz so lang wie ursprünglich gedacht. Die Schau schließt am heutigen Sonntag schon wieder. Was die Radikalität der Geste dann leider unterläuft.

Vielleicht hätte man im Haus hellhörig werden müssen, wenn – wie im Statement an die Presse verlautet – schon seit Juni kein Kontakt mehr zu Krystufek bestand. Vielleicht hat man das als Strategie der Künstlerin gelesen und einfach mal abgewartet, wie sich die Dinge entwickeln. „Wir verstehen ihr Handeln als konzeptuelle Geste“, heißt es nun, und dass „ein Ausbleiben ohne Absage bisher singulär im zeitgenössischen Kunstbetrieb“ sei. Was nicht ohne Finesse ist, weil Katja Blomberg so eine Linie zu Vorgängern zieht wie Robert Barry, der 1969 die Galerietür verbarrikadierte, oder Kai Althoff, dessen Absage in einer Vitrine der Documenta ausliegt. Dass Elke Krystufek ganz einfach keine Lust gehabt haben könnte – darauf kommt man bei dieser intellektuellen Verkabelung gar nicht.

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