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Kultur: Schöne neue Welt

In Berlin beginnt mit dem Gastspiel des Museum of Modern Art eine „American Season“

Für Joachim Sartorius soll es der „rote Teppich sein, auf dem der Star – das MoMa – in diesem Jahr durch Berlin schreitet“. Der rote Teppich, das ist die „American Season“, ein lockeres Gewebe von über 90 Veranstaltungen in und aus 48 Kulturinstitutionen der Hauptstadt, welches Kulturstaatsministerin Christina Weiss am Montagabend in kleinem Kreis zusammen mit Mitstreitern, Anregern, Sponsoren vorgestellt hat. Und alle schwärmten dabei natürlich von ihrem „Star“, dem New Yorker Museum of Modern Art, das auch tout Berlin nun dank wochenlanger Werbung nur noch weltläufig MoMa nennt.

Das MoMa also zeigt ab 20. Februar in der Berliner Nationalgalerie sieben Monate lang gut 200 seiner Meisterwerke, von Cezanne, Matisse und Picasso über den russischen Konstruktivismus und den deutschen Expressionismus bis zu den ersten großen Amerikanern (Hopper, Pollock), bis zur Pop-Art – und am Ende, in der Gegenwart, bis hin zu Gerhard Richters bedrückend intensivem foto-surrealistischen „Stammheim“-Zyklus. Womit sich nicht nur der Kreis zwischen europäischer und amerikanischer Avantgarde wieder schließt, sondern Berlin bereits längst vor der so heftig umstrittenen RAF-Ausstellung den Höhepunkt der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Terror und Todeswahn erlebt.

Weil das MoMa-Haus in Manhattan mit seinen mehr als 100000 Sammlungsstücken zur Zeit wegen des Neubaus durch den japanischen Architekten Yoshio Taniguchi geschlossen und nur in kleineren Teilen nach Queens ausgelagert ist, hat sich die Chance für diese bisher einmalige Auslandsreise des Museums eröffnet. Auf Initiative des Berliner Anwalts, Kunstförderers und Vorsitzenden des Freundeskreises der Nationalgalerie Peter Raue ist es mit in Deutschland bisher eher ungewöhnlichem privaten Engagement, mit Energie und Phantasie gelungen, die etwa 8,5 Millionen Dollar teure Schau ohne staatliche Gelder zu realisieren (die genannte Summe schließt die Kosten für den Katalog, den Aufbau, Werbung und Service ein; die Bundesregierung übernimmt für die Sicherheit der Werke eine Staatsbürgschaft).

Jetzt hoffen Raue & Freunde, unterstützt von der Kulturstiftung der Deutschen Bank und symbolisch beschirmt von den Außenministern Fischer und Powell (der sich hier erstmals in Sachen Kultur engagiert), nicht nur auf mindestens 700000 in- und ausländische Besucher, deren Eintrittsgelder plus begleitendem Merchandizing die Kosten decken sollen. Sie bauen auch auf die begleitende Unterstützung der „American Season“ in Berlin. Diese hebt am 19. Februar mit einem „MoMa-Eröffnungskonzert“ der Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle an, der unter anderem die „Century Rolls“ des 56-jährigen amerikanischen Komponisten John Adams („Nixon in China“) spielen wird.

Aber auch Dvoraks Symphonie „Aus der Neuen Welt“ (im Konzerthaus Berlin), eine Dramatisierung von Franz Kafkas Roman „Amerika“ im Maxim-Gorki-Theater, Rainald Goetz’ Stück „Jeff Koons“, das mit dem gleichnamigen Edeltrashkünstler nur in frei assoziativer Verbindung steht (Deutsches Theater), oder gar Puccinis „Mädchen aus dem Goldenen Westen“ (Deutsche Oper Berlin) – das alles und vieles mehr, was oft ohnehin in Theatern, Opern oder jetzt im Rahmenprogramm der Berlinale geplant war, gerät unter dem Obertitel „American Season“ in einen neuen Kontext. Tanzinstallationen „nach Motiven von Andy Warhol“ (in den Sophiensälen) oder ein „Friendly Fire“ der Neuköllner Oper: Manches, was ohne den gleichsam erweiterten Amerika-Begriff zufälliger gewirkt hätte, erhält nun seine Aufladung durch den fast einjährigen, forcierten „transatlantischen Dialog“ (Christina Weiss).

Natürlich gibt es am Rande des MoMa-Galaauftritts auch so thematisch Einschlägiges wie MoMa-Fotos in der Galerie Kicken oder Video- und Fotokunst von Nam June Paik und Robert Mapplethorpe in der Deutschen Guggenheim sowie im Bauhaus-Archiv das „New Bauhaus Chicago“. Berlins Sammlung im Kronprinzenpalais und die Ästhetik des Bauhauses waren ja auch prägende Einflüsse bei der Gründung des MoMa vor 75 Jahren. Und so schwärmt Nationalgalerie-Direktor Peter-Klaus Schuster schon jetzt von einer „Rückkehr an den Berliner Ursprung“, Peter Raue ist enthusiasmiert von „Blickachsen und Perspektiven“ im weitflächigen Mies van der Rohe-Bau der Nationalgalerie, die es im verschachtelt vielgeschossigen MoMa „nie gegeben hat“, und auch Barnett Newmans Jahrhundert-Skulptur des kopfstehenden „Broken Obelisque“, die sieben Monate vor der Nationalgalerie stehen wird, gehöre eigentlich in „unseren europäischen Kontext“.

Spannend dürfte nun werden, wie Amerika auf die neue Begeisterung in Berlin reagieren wird. Auf die Frage, ob überhaupt New Yorks Bürgermeister zur MoMa-Eröffnung eingeladen sei, wusste die überraschte Ministerin am Montag noch keine Antwort. (Über die vom Hauptstadtkulturfonds mit 500000 Euro sowie durch DaimlerChrysler geförderte „American Season“ informiert ein Programmheft der Berliner Festspiele sowie www.americanseason.de)

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