zum Hauptinhalt

Kultur: Schöne Wörter Die Akademie der Künste zeigt moderne Kalligrafie

„Da ist es“, flüstert er, „das K.“ – „Wo?

„Da ist es“, flüstert er, „das K.“ – „Wo?“, wispert sie ehrfürchtig zurück, als hätte sie Angst, den Buchstaben vom Papier zu verscheuchen. „Na da! Gleich neben dem E.“ Während das Orakel vom Untergang der Schriftkultur beständig durch die Medien geistert, verliert sich ein Ehepaar „Im Zaubergarten der Schrift“. Buchstaben ranken sich wie Pflanzen auf weißem Papier empor, fließen als blassblaue Wogen zu einem Meer zusammen, schweben wie Schneekristalle zu Boden. Für den ungeübten Betrachter sind die verschlungenen Schriftzeichen zuweilen mehr inspirierende Irritationen als nüchterne Informationsträger: Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner blickt es zurück.

Die Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste ist eine Hymne auf die Kunst der Kalligrafie. 120 Exponate aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeugen von der Spannung zwischen der Homogenität kalligrafischer Schriftzeichen und der individuellen Aura der Schreibenden. Die Arbeiten von Hans-Joachim Burgert, Werner Schneider oder Friedrich Poppl, von Kalligrafen aus Amerika, England oder Frankreich, basieren auf der lateinischen Schrift. Dennoch muten sie wie Reliquien aus einer fernen Zeit an. Nur schwer fügen sich die einzelnen Lettern zu den Gedichten, Sinnsprüchen oder Bibelpassagen zusammen, die sie darstellen. Aber den Tribut ihrer Lesbarkeit zollt man den sinnlich-expressiven Zeichen gern. Zumal sie manchmal unverhofft auf ästhetischer Ebene lesbar werden: durch die mimetische Qualität des Schriftbildes selbst. Kerstin Roose

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, bis 22. Juni. Begleitbuch zur Berliner Sammlung Kalligraphie mit einer Mappe mit 39 Tafeln, 24, 80 €.

Kerstin Roose

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false