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Kultur: Schönheiten in Schamotte

KERAMIK

Glätte störte sie. Gertraud Möhwald beließ die Spuren ihres Werkstoffs Ton ungeschminkt, unglasiert. Sie bekannte sich zum Unfertigen, Prozesshaften: „Den Riss, den das Material verursacht, den der Brand vergrößert und erhärtet, akzeptiere ich wie eine Lebensspur.“ Dem Schamotteton – herb, spröde und vielfarbig – verhalf sie somit zu einer ästhetischen Neubewertung. Im vergangenen Dezember starb die Künstlerin in Folge eines Unfalls. Noch bis zum 14. September vermittelt eine Ausstellung im Kunstgewerbemuseum einen Eindruck von Möhwalds künstlerischer Emanzipation. Anlässlich einer Gedenkfeier würdigte die Kustodin Cristiane Keisch am Mittwoch die Verdienste der Künstlerin, die zu DDR-Zeiten nahezu zwanzig Jahre lang an der Hochschule Burg Giebichenstein in Halle lehrte. Längst sei der „hallische Stil“ zu einem Begriff in der internationalen Keramik avanciert, so Keisch. Obwohl Möhwald mit ihrem Stil parteipolitisch bisweilen aneckte, befreite sich die ausgebildete Steinbildhauerin aus der Bauhaus-Tradition der Burg und kreierte eine architektonische Keramik: „Möhwald forderte das Material, das als klassisch galt, auf ungewohnte Art heraus und ließ es sie herausfordern.“ Eine Herausforderung im Übrigen, die Möhwald mit Humor nahm: „Man arbeitet verbissen an der Vorderseite einer Figur und der Rücken wird immer schöner.“ Als gebürtige Dresdnerin fühlte sie sich der zerbombten Stadt eng verbunden. Zur Serie „Memento für Dresden“ zählt die Arbeit „Schlaf, Bruder des Todes“ (1989). Der liegende Kopf aus verschiedenen schamottierten Tonen ist hohl aufgebaut und mit Ton- und Porzellanschichten, Glasuren, Scherben, Papier akzentreich collagiert. Keineswegs glatt – und sehr eigenwillig.

Inge Pett

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