zum Hauptinhalt

SCHREIB Waren: Die wollen doch nur spielen

Steffen Richter hat Mitleid mit den Italienern – und mit ihrem Fußball

Morgen wird es ein Jahr her sein, dass Fabio Grosso und Alessandro Del Piero uns Deutsche aus der WM schossen. Man erinnert sich an die verkehrte Welt dieser Tage: Deutscher Fußball war sehenswert, italienischer schlaff. Und Berlin lag – rein meteorologisch – am Mittelmeer, während auf dem Apennin ein Manipulationsskandal eine Eiszeit auslöste.

Italien kämpft mit Imageproblemen, was weniger am unattraktiven Fußball liegt. Lange hieß das Problem Berlusconi. Bis zu seiner Abwahl mussten Italienfreunde täglich zittern: Hat er wieder mal sein Land lächerlich gemacht, seinen „Höherwertigkeitskomplex“ betont, sich mit Napoleon, mit Jesus verglichen? Den Staat führte der Patriarch wie einen Familienbetrieb, in Sachen Pressefreiheit rangierte Italien hinter Uruguay und Albanien. Nun, Berlusconi ist nicht mehr Regierungschef, geblieben ist der „Berlusconismo“: So nennt man in Italien die Verflechtung aus Legalität und Illegalität in allen Lebensbereichen. Kein Wunder also, dass der Kriminalroman in den letzten Jahren zum Exportschlager der italienischen Literatur geworden ist.

Wie das Land in der Selbstbeschreibung aussieht, erklärt der Journalist Beppe Severgnini heute um 19 Uhr im Italienischen Kulturinstitut (Hildebrandstraße 2, Tiergarten). Der Titel seines Buches „Überleben in Italien … ohne verheiratet, überfahren oder verhaftet zu werden“ (Blessing) verspricht einen schauerlichen Folklorekatalog. Doch besteht Hoffnung, dass im Gespräch zwischen dem Autor, der Tagesspiegel-Redakteurin Andrea Dernbach und dem neuen Institutsdirektor Angelo Bolaffi mit Klischees aufgeräumt wird – damit wahr bleibt, was uns Italien jenseits aller Stereotype lieb und teuer macht: Statt auf Vorfahrt und Vollgas zu bauen, hält man dort mehr vom Aushandeln als Prinzip des Zusammenlebens. Da können wir eine Menge lernen.

Wie auch vom italienischen Fußball. Morgen (19 Uhr) diskutieren im Kino Babylon (Rosa-Luxemburg-Straße 30) die Fußballbuch-Autoren Birgit Schönau und Detlev Claussen über Andrea Barzinis Film „Italia – Germania 4-3“ und Sönke Wortmanns „Deutschland. Ein Sommermärchen“. Alles dreht sich um die Frage: „Italia – Germania: Alles nur ein Spiel?“ Und schaut man sich das WM-Halbfinale von damals noch einmal an, wird man feststellen: Natürlich waren die Italiener besser. Aber im Fußball soll ja nicht der Bessere gewinnen. Sondern wir.

Zur Startseite