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SCHREIB Waren: Geschlossener Eingangsbereich

Steffen Richter über Raucherzonen und Zonenraucher

Auf den ersten Blick sieht das neue Jahr gar nicht so toll aus: Das Rauchen im Freien erhöht die Erkältungsgefahr, Donna Leon hat ein neues Buch geschrieben, die Lebenshaltungskosten steigen. Andererseits: Die Tabaksteuer wurde zum Jahreswechsel nicht erhöht, Paulo Coelho hat kein neues Buch geschrieben, das Ballhaus Ost senkt mittwochs künftig die Getränkepreise.

Denn ab sofort ist das Ballhaus Ost eine Art Heimstadion der Surfpoeten, einer der wichtigsten Berliner Lesebühnen. Seit elf Jahren waren die Herren Ahne, Spider, Tube, Robert Weber und DJ Lt. Surf Woche für Woche in Kneipen und Bars wie dem Bergwerk, dem Pavillon und schließlich dem Mudd-Club Bestandteil der Mitte-Kultur. Ob der Umzug in den Prenzlauer Berg szenetechnisch gesehen Avantgarde oder Retrogarde ist, muss sich noch erweisen. Fakt ist, dass er auf die Bierpreise ausstrahlt, die so erschwinglich bleiben, wie sie es bei den Surfpoeten immer waren. Denn die kämpfen unverdrossen „gegen den Zwang zur Lohnarbeit, für Essen umsonst und billiges Bier“. Wie sie das tun, kann man schwer beschreiben, weil es zum Hören ist. Man muss das nicht gleich Literatur nennen, unterhaltsam aber ist es auf jeden Fall: Gedankenblitze, höhere Alltagsblödelei und massiver Vokabelüberdruck. Texte, die zum Angriff gegen Konsum-, Sex- und anderen Wahn blasen – oder einfach vertanzt werden wollen. Morgen also (21 Uhr) steigt die große Umzugs- und Jubiläumsparty, die auch noch eine Buchpremiere ist (Pappelallee 15). So kann sich, wer partout nicht kommen möchte und sich die im Eintrittspreis inbegriffene Bockwurst entgehen lässt, das Lesebühnen-Spektakel lesend zu Gemüte führen: „Die Rückkehr der Surfpoeten“, gerade erschienen bei Voland & Quist, natürlich mit CD!

Lesebühnenerprobt ist auch Jakob Hein. Der pendelt zwischen den Kollegen der Reformbühne Heim & Welt, Literatur im engeren Sinne und seinem Arztberuf an der Charité. Nun hat er herausgefunden, dass die DDR Haschisch legalisieren und in der Magdeburger Börde Baumwolle anpflanzen wollte. Außerdem habe Erich Honecker aus Sehnsucht nach seinem Saarland einen „Antrag auf ständige Ausreise“ gestellt. So heißt Heins Sammlung unglaublicher DDR-Geschichten (Piper Verlag). Die sind natürlich komplett erfunden – aber so gut, als wären sie wahr. Hein kommt am 10.1. (19 Uhr) in die Galerie 1er Étage (Savignyplatz 1, Charlottenburg).

So richtig ernst aber wird es heute (20 Uhr) im Brecht-Haus (Chausseestr.125, Mitte). Hier steht „Alles auf Anfang“, und zwar aus guten Gründen. Erstens, weil Jan Faktor, Judith Kuckart, Andreas Meier und Julia Schoch passend zum neuen, noch unfertigen Jahr aus neuen, noch unveröffentlichten Manuskripten lesen. Zweitens, weil die neue Leiterin Ursula Vogel ihren Einstand gibt. Das Programm der nächsten Wochen klingt vielversprechend. So schlimm also wird das neue Jahr auch wieder nicht werden. Im Brecht- Haus kann man im geschlossenen Eingangsbereich rauchen.

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