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SCHREIB Waren: In Asien und um Asien herum

Gewiss, man hört das nicht gern. Gerade jetzt zur Urlaubszeit.

Gewiss, man hört das nicht gern. Gerade jetzt zur Urlaubszeit. Aber vielleicht könnte man gerade deshalb mal kurz über das Verhältnis von Tourismus und Kolonialismus nachdenken. Als innereuropäisch Reisender weiß man: Die Provence erfreut sich einer starken britischen Population, die Toskana einer deutschen, ein britisch-deutscher Dauerzwist um Plätze am Pool wird auf spanischem Boden ausgetragen. Und ist die Rede von Mallorca als 17. Bundesland nicht unerbittlich freimütig?

Innereuropäisch geht es darum, das Gewohnte in hübschen Kulissen wiederzufinden. Außerhalb Europas, etwa in Asien, wird Exotik-Design wichtig. In Thailand möchte man käuflichen Sex, wie wir seit Michel Houellebecqs Roman „Plattform“ wissen. Und natürlich weiße Strände, Elefanten und Curry-Gerichte. Asien-Kochbücher boomen seit Jahren! Wie aber sieht das aus thailändischer Innenperspektive aus? Rattawut Lapcharoensap, Jahrgang 1979, ist in Chicago geboren, in Bangkok aufgewachsen und dann zum Studium wieder in die USA gegangen. Er weiß also einiges vom Fremden und Eigenen. Und er weiß etwas von der Armut auf dem Land, der Korruption und der Kriminalität in den Städten. Schon in den Erzählungen seines Debüts „Sightseeing“ konnte man viel lernen über westliche Urlaubspraktiken und Kolonialherrenstil. Derzeit ist Lapcharoensap Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Erleben kann man ihn heute (20 Uhr) gemeinsam mit Christian Kracht in der daadgalerie (Zimmerstr. 90/91, Mitte), wo er sein neues Buch über das Thailand der sechziger und siebziger Jahre vorstellt: „The End of Siam“.

Zu hoffen ist, dass Lapcharoensap seinem Anti-Exotismus-Programm treu bleibt. Ganz wie der große Geher Wolfgang Büscher, der einst zu Fuß zwischen Berlin und Moskau und dann entlang der deutschen Grenze unterwegs war, schließlich in Indien, Kambodscha, China und Nepal – und gesteht, dass ihm Asien fremd geblieben ist. Demut, nicht eben eine verbreitete touristische Tugend, durchzieht „Asiatische Absencen“ (Rowohlt). So wie Büscher Asien hat Helmut Kuhn sogenannte Inselparadiese wie die Malediven, Mauritius oder Kuba besucht, und Michael Obert ist mit einem Greyhound-Bus 6000 Kilometer von der amerikanischen Ost- zur Westküste gefahren. Alle drei kommen zum Lesen übers „Reisefieber“ am 6.7. (20 Uhr) in Britta Gansebohms Salon im BKA-Theater (Mehringdamm 34, Kreuzberg).

Klar dürfte sein: Reiselust ist nicht gleich Herrschaftsfantasie, die Entdeckerfreude von Kolumbus bis Thor Heyerdahl geht nicht in kolonialer Begierde auf. Dennoch: Ein bisschen einfach ist es schon, auf der Website eines Reiseanbieters die Kreditkartennummer einzutippen und zu klicken: „Jetzt kaufen!“

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