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SCHREIB Waren: Mein Held, die Vogelscheuche

In unserer kleinen Schreibschule heute: Wie schreibe ich einen Krimi? Die plot points müssen stimmen, der love impact knallen.

In unserer kleinen Schreibschule heute: Wie schreibe ich einen Krimi? Die plot points müssen stimmen, der love impact knallen. Reicht das, um beim Dreiminutenpitch die potenziellen Produzenten oder (gähn) Fernsehredakteure von den Hockern zu reißen? Natürlich nicht. Also von vorn. Stimmt das Storydesign? Unterwerfen wir uns als Autor den Prinzipien des Archeplots? Schlaumeier werden die Subtilität des Antiplots hochhalten und von inkonsistenten Realitäten und nichtlinearer Zeit murmeln. Aber: Wer will so etwas sehen, welcher (gähn) Fernsehredakteur bezahlen? Wurde nicht der Kriminaldauerdienst im ZDF eingestellt? Deshalb: Kausalität! Aktiver Protagonist, der einen äußeren Konflikt zu lösen hat (wer war’s?). Geschlossenes Ende, vor allem Konsistenz.

Wenden wir uns folgenden Fragen zu: Ist uns das vierdimensionale Setting unserer Story bewusst? Epoche, Dauer, Schauplatz, Konfliktebene. Sind wir uns über die Erwartungen des Publikums im Klaren, beherrschen wir die Konventionen des Genres? Wer sind die Hauptfiguren? Der unbekannte Mörder natürlich. Vor allem: Der Kommissar. Oder: Das Ermittlerduo. Wer von ihnen ist verheiratet oder geschieden. Wer hat Kinder, und was haben die mit dem jungen Assistenten zu tun? Bevor wir uns in Backstories verlieren, sollten wir Grundsätzlicheres klären: Was ist eine Figur? Einfach gesagt: eine Kombination von Eigenschaften, die auf geschickte Weise in die Story eingebracht werden, sodass der Leser oder das Publikum glaubt, die Figur könne und würde tun, was sie tut. Ohne Struktur ist eine Figur wie eine Vogelscheuche, an der leblos Attribute baumeln. Erst was sie innerhalb einer Handlung tut, macht sie zu dem, was sie wirklich ist. Je risikoreicher die Handlungen, desto tiefer die Enthüllung ihres wahren Kerns. Nach welchen Kriterien eine Figur handelt, in welcher Szene sie welche Entscheidung fällt, hängt vom Typ ab. Ein Colombo-Kommissar ermittelt anders als ein Schimanski-Ermittler, denn sie haben einen unterschiedlichen Point of View (POV). Interessant wäre es, die Struktur eines Sonntagabend-Neunzigminüters durch den POV eines Film-Noir-Helden zu dynamisieren, einer Figur, die Ermittler, Krimineller und zugleich Opfer einer Femme fatale sein könnte. Nein? Kopfschütteln beim Fernsehredakteur. Fangen Sie trotzdem an. Bei Fragen gehen Sie am 9.6., 20 Uhr, ins Literaturforum im Brechthaus, wo der Krimiautor Friedrich Ani mit dem Kriminalisten Joachim Ciupka über „Schöne Morde und dreiste Ermittler“ redet.

P. S.: Nicht nur die hervorgehobenen Wörter stammen aus „Story“ von Robert McKee und „Profikiller. So schreiben Sie das perfekte Krimidrehbuch“ von Georg Feil und Werner Kließ.

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