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Schreibwaren: Das große Durcheinander

Steffen Richter begeistert sich für transkulturelle Literatur.

Wer noch immer glaubt, Multikulturalität sei der aktuellste literarische Standard, den kann man nur bedauern. Selbstverständlich sollte man sich längst mit Interkulturalität auskennen. Wer aber auf sich hält, hält es mit Transkulturalität. Salopp formuliert steht die Vorsilbe „multi“ für ein Nebeneinander, „inter“ für ein Miteinander und „trans“, nun ja, vielleicht für ein Durcheinander?

Natürlich weiß man, was gemeint ist: Literatur ist heute nicht mehr aus einem Guss, an einen Ort gebunden. Sie speist sich aus verschiedenen Quellen, vagabundiert zwischen den Welten. Ganz neu soll nun „Global Literature“ sein. Wow! Aber selbst dieses gleichermaßen weltumspannende wie entwurzelte Phänomen hat seine Geschichte. Glaubt man der barocken Schelmenprosa von Mateo Alemán bis Grimmelshausen, dann reiste man bereits im 17. Jahrhundert in schönster Freizügigkeit durch die Welt. Später hat ein Geheimer Rat in der weimarischen Provinz bekanntlich seine Idee von „Weltliteratur“ entwickelt. „National-Literatur“, verlautbarte Goethe, habe ausgedient, „die Epoche der Welt-Literatur“ sei „an der Zeit“.

Heute kann „globalisierte Literatur“ Verschiedenes heißen. Etwa dass potenzielle Bestseller zeitgleich in mehreren Sprachen auf mehreren Märkten erscheinen. Oder dass das angelsächsische Export-Genre Kriminalroman als Global Crime die Welt erobert hat, wie man jahrelang an Thomas Wörtches Metro-Reihe im Zürcher Unionsverlag sehen konnte. Ein wahrlich globaler Fall wäre ein pakistanischer Luftwaffenpilot, der nach London zieht, dann als BBC-Korrespondent in sein Land zurückkehrt und schließlich einen Polit-Thriller schreibt. Dieser Roman wiederum würde in Berlin für den Internationalen Literaturpreis am Haus der Kulturen der Welt nominiert werden. Besagter Ex-Pilot, Journalist und Schriftsteller heißt Mohammed Hanif, sein Buch „Eine Kiste explodierender Mangos“ (A1 Verlag). Weil es solche Fälle von „Global Literature“ häufig gibt, haben Sigrid Löffler und das Literarische Colloquium eine Reihe daraus gemacht: Weltensammler - Literatur im Transit. Mohammed Hanif wird dort am 27.11. (20 Uhr) zu Gast sein (Am Sandwerder 5).

Darum, wie „interkulturell Literatur verfährt“, geht es auch dem britisch-deutschen KOOKspezial. Dort schreibt Jan Wagner die Gedichte des britischen Lyrikers Robin Robertson fort. Die Romanautorin Terézia Mora behandelt einen Text von L. A. Kennedy derart, dass „etwas Neues“ herauskommt. Bestaunen kann man das am 28.11. (21 Uhr) in den Sophiensälen (Sophienstr. 18).

Erfreulich ist, dass immer mehr Autorennamen im Umfeld der neuen kulturellen Label auftauchen. Lange schien es, als gäbe es nicht viele multi-, inter- oder transkulturelle Schriftsteller, weswegen sich die multi-, inter- oder transkulturelle Literaturkritik und -wissenschaft mit den immergleichen Büchern beschäftigte. Vermutlich hat man diese Autoren und Bücher früher nur anders genannt.

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