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SCHREIB Waren: Genie und Gewalt

Dass die Hölle leer ist, weil alle Teufel hier auf Erden sind, beklagte schon Shakespeare. In der Aufklärung wird dann mit dem Aberglauben auch der Teufel verabschiedet; zumindest verliert er allmählich seinen privilegierten Status als Personifikation von Laster und Sünde.

Dass die Hölle leer ist, weil alle Teufel hier auf Erden sind, beklagte schon Shakespeare. In der Aufklärung wird dann mit dem Aberglauben auch der Teufel verabschiedet; zumindest verliert er allmählich seinen privilegierten Status als Personifikation von Laster und Sünde. Seitdem ist es der Mensch selbst, der böse ist. Kants Wort von der „Gebrechlichkeit“ des Menschen vermeidet bereits die Metaphysik, will aber von bösen Menschen noch nicht wirklich viel wissen. Anders dagegen jene Literatur, die sich zur selben Zeit den Nachtseiten des menschlichen Innenlebens zu verschreiben beginnt. Mit ihr werden Kitzel und Schauder, Ekel und Furcht zu ästhetischen Kategorien. Und die bösen Helden bekommen ihren ganz eigenen Reiz.

Zu deren berüchtigsten Vertretern zählt Doktor Mabuse, ein Verbrechergenie mit hypnotischen Fähigkeiten und tausend Gesichtern: der Psychoanalytiker als ganz fieser Kerl. Ersonnen hat ihn der luxemburgische Schriftsteller Norbert Jacques, angeblich als er 1919 mit einer Fähre über den Bodensee fuhr. 1921 erschien sein Roman „Dr. Mabuse, der Spieler“ und wurde ein großer Publikumserfolg. Genau wie ein Jahr später die Verfilmung von Fritz Lang. Im Film ist der Verbrecher letztlich der wahrhaft Gerechte, der Roman dagegen präsentiert seinen Helden uneingeschränkt korrupt, skrupellos und machtbesessen, genau wie seine Umwelt, das Europa nach dem Ersten Weltkrieg. Seiner Faszination tat das keinen Abbruch, und so hat die Schauspielerin Yutah Lorenz ein multimediales Programm zusammengestellt, mit dem sie sich der Romanfigur und ihrem Schöpfer Norbert Jacques annähert. Zu sehen und zu hören ist es am Sonnabend um 19.30 Uhr in der Belle Etage am Lietzensee (Lietzenseeufer 10).

Die Kriminalromane von Andrea Maria Schenkel beruhen auf historische Fällen – zumindest „Kalteis“ (2007) und ihr Debüt „Tannöd“ (2006). Darin greift sie einen der rätselhaftesten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte auf, den bis heute ungeklärten sechsfachen Mord auf einem oberbayerischen Einödhof aus dem Jahre 1922. Der Held ihres zweiten Romans, Josef Kalteis, hieß im wirklichen Leben Johann Eichhorn und wurde 1939 werden fünffachen Mordes hingerichtet. Am Freitag wird Andrea Maria Schenkel um 20 Uhr im Literaturforum im Brecht-Haus (Chausseestr. 125) zweierlei tun: Erstens wird sie aus ihren Büchern lesen, zweitens wird sie zusammen mit dem Psychologen Harald A. Euler der Frage nachgehen, woher Sinn und Reiz des Bösen rühren. Wer danach von zertrümmerten Schädeln und durchbohrten Herzen immer noch nicht genug hat, kann sich am Sonntag um 17.30 Uhr im Chokocafe (Bleibtreustr. 15) von Ella Danz aus ihrem kulinarischen Krimi „Schatz, schmeckt’s dir nicht?“ vorlesen lassen.

Thomas Wegmann

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