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SCHREIB Waren: Nur gegen Zeilenhonorar

Ökonomische Themen in der Literatur haben in Zeiten der Finanz- und Schuldenkrisen an Aktualität gewonnen. Thomas von Steinaeckers Roman „Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen und anfing zu träumen“ setzt symbolträchtig mit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 ein – nicht das beste Vorzeichen, um ausgerechnet in der Versicherungswirtschaft Karriere zu machen wie die Romanheldin Renate Meißner.

Ökonomische Themen in der Literatur haben in Zeiten der Finanz- und Schuldenkrisen an Aktualität gewonnen. Thomas von Steinaeckers Roman „Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen und anfing zu träumen“ setzt symbolträchtig mit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 ein – nicht das beste Vorzeichen, um ausgerechnet in der Versicherungswirtschaft Karriere zu machen wie die Romanheldin Renate Meißner. Andererseits: Versicherungen versprechen Sicherheiten gegen die Risiken des Lebens. Und Meißner hat ihre Existenz unter das Diktat von Kalkül und Kosten gestellt. Auf hohen Hacken, stahlhart im Umgang mit sich und anderen, mit Tabletten gegen die eigenen Panikattacken bewaffnet, will sie den Unwägbarkeiten des Daseins trotzen. Was natürlich nicht gut geht ... Wie die psychische Ökonomisierung des Lebens scheitert, was der Verlust vermeintlicher Sicherheiten für das rational hochgerüstete Individuum bedeutet, dies zu schildern bleibt der Literatur überlassen, nicht dem Börsenbericht. (Lesung, Mittwoch, 20 Uhr, Buchhandlung Bötzowbuch, Bötzowstr. 27).

Dass alles seinen Preis hat, ist das zum Sprichwort geronnene ökonomische Denken. Die Berliner Kulturphilosophin Christina von Braun hat mit „Der Preis des Geldes“ eine weit ausgreifende Kulturgeschichte des schnöden Mammons geschrieben, die weit von jeglichem Money-Bashing entfernt auch dessen Segnungen betont. Interessanterweise sind das Geld und das Alphabet fast zeitgleich entstanden: Beide stellen Abstraktionsleistungen dar. Das Geld, so die Autorin, sorgt für demokratisierende Effekte und soziale Mobilität; selbst der Feminismus – manche werden dies nicht gerne hören –, verdankt ihm seine Existenz.

Zwar hat die Entkoppelung des Geldes von seinen materialen Verankerungen wie dem Goldstandard oder der Realwirtschaft zu Problemen geführt, doch dies, schreibt Braun, seien eher Betriebsunfälle. Solang die Gemeinschaft auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit an ihr Geld glaubt, funktioniert es auch. Die Vorstellung des Buchs wird sicher Diskussionen anregen (Montag, 20 Uhr, Literaturforum im Brechthaus, Chausseestr. 125). Vorab bestätigen wir gern die enge Liaison von Geld und Alphabet, folgt doch auf das Schreiben von Kolumnen wie dieser ein Honorar. Ob das dann allerdings gegen die Risiken des Lebens schützt, muss aus literarischer Perspektive offenbleiben.

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