zum Hauptinhalt

SCHREIB Waren: Trink, Väterlein

Diese Woche wird es eng, was die zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft. Am Dienstag radikalisiert Martin Walser den Begriff „vaterlose Gesellschaft“: In seinem Roman „Muttersohn“ braucht es den Vater nicht einmal mehr, um ein Kind zu zeugen.

Diese Woche wird es eng, was die zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft. Am Dienstag radikalisiert Martin Walser den Begriff „vaterlose Gesellschaft“: In seinem Roman „Muttersohn“ braucht es den Vater nicht einmal mehr, um ein Kind zu zeugen. Natürlich steht Walser damit in christlicher Tradition – Josef war bekanntlich auch nicht Jesus’ Erzeuger. Walsers Held Percy befindet denn auch: „Ich bin eine prima Konstruktion“. Über diese und andere literarische Konstruktionen kann am Dienstag um 20 Uhr im Literarischen Colloquium Berlin (Am Sandwerder 5) nach der Lesung mit dem Autor diskutiert werden.

Offenbar hat sich das Literarische Colloquium diese Woche generell der Pflege intensiver, ja exklusiver Bande verschrieben. Im Rahmen des am Donnerstag um 19 Uhr beginnenden „Helvetischen Festes“ liest Christian Uetz aus seinem Roman „Nur du, und nur ich“, in dem es um Liebeswahn und -verlust geht. Auch das neue Buch von Matthias Zschokke, das tausende E-Mails an seinen Freund Niels Höpfner versammelt, könnte diesen Titel tragen, heißt aber treffend: „Lieber Niels“. Als Dritte im Bunde liest Stefanie Sourlier aus „Das weiße Meer“. Eine sicherlich kurzweilige Kombination: Der aus der Spoken-Word-Poetry-Szene stammende Uetz hat einen extrem rhythmisierten Text verfasst, dem Zuzuhören großen Spaß bereiten wird; Zschokke schreibt hintersinnig, belustigt und manchmal wütend über seine Erlebnisse; Sourliers Erzählungen sind sprachgenaue Studien zwischenmenschlichen, also rätselhaften Verhaltens. Fürs Musikalische sorgt der Jazz-Trompeter Samuel Blaser, im Anschluss lädt die Schweizerische Botschaft zu Käse und Wein.

Wie eng Familienbande sein können, zeigt auch die unglaubliche Geschichte, die die Journalistin Heike Otto recherchiert hat. Drei DDR-Bürger fliehen 1984 über die Mauer in den Westen – und einer kehrt kurz darauf aus Liebe zu seiner Frau auf gleichem Wege wieder zurück. Und wird prompt verhaftet. Die in Verdacht gerate Ehefrau schwört „beim Leben meiner Enkel“, dass nicht sie ihn verraten habe. Am Donnerstag um 19 Uhr liest Heike Otto im Bildungszentrum der Jahn-Behörde (Zimmerstr. 90/91) aus ihrem gleichnamigen Buch (Rezension im Tagesspiegel vom 25. Juli).

Am Sonntag um 20.45 Uhr lassen Thilo Bock und Rüdiger Bierhost in der Barrikade (Buttmannstr. 2) den Käse weg und wenden sich gleich den Kaltgetränken zu: „Dichter als Goethe“ lautet das Motto, das durch „Lesen, Singen & Trinken“ realisiert werden soll. Goethe selbst betrank sich einmal schon morgens in dem Glauben, er habe Geburtstag. Dann musste er erkennen, dass er einen Tag zu früh dran war: „Donnerwetter! Da habe ich mich umsonst besoffen !“ Das wird hier hoffentlich nicht passieren.

Zur Startseite