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SCHREIB Waren: Worte wie Arsendosen

Schlagartig offenbarte sich in diesen Tagen die politische Dimension von Sprache, als bekannt wurde, dass die von Neonazis verübte Mordserie jahrelang von ermittelnden Behörden als „Döner-Morde“ bezeichnet wurde. Das Klischeedenken, das daraus spricht, beweist, dass es noch einiger Aufklärungsarbeit bedarf, um abwertende Denkstrukturen und Traditionen aufzudecken.

Schlagartig offenbarte sich in diesen Tagen die politische Dimension von Sprache, als bekannt wurde, dass die von Neonazis verübte Mordserie jahrelang von ermittelnden Behörden als „Döner-Morde“ bezeichnet wurde. Das Klischeedenken, das daraus spricht, beweist, dass es noch einiger Aufklärungsarbeit bedarf, um abwertende Denkstrukturen und Traditionen aufzudecken. Der von Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard herausgegebene Band „Wie Rassismus aus Wörtern spricht – (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache“ dokumentiert, wie sich dieses Erbe in unser Reden und Schreiben eingebrannt hat. Vorangestellt ist ihm ein Satz von Victor Klemperer: „Worte können sein wie winzige Arsendosen, sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ Am Donnerstag um 20 Uhr stellen die Herausgeberinnen und die Mitautorin Noah Sow das kritische Nachschlagewerk im Brechthaus (Chausseestr. 125) vor.

Auch im Roman „Bessere Zeiten“ der in Finnland geborenen und in Schweden aufgewachsenen Autorin Susanna Alakoski geht es um Diffamierungen. Angesiedelt ist der Roman in der südschwedischen Stadt Ystad, die durch Henning Mankells Wallander-Krimis zu einem prominenten Ort auf der internationalen Krimilandkarte wurde. Aus der Sicht der Hauptfigur Leena lernen wir eine andere Facette der Stadt kennen – das Viertel der finnischen Migranten in den 60er und 70er Jahren. Hierhin zieht Leenas Familie. Obwohl die neue Wohnung schön ist, sprechen die Schweden nur von „Schweinehäusern“. Alltagsdiskriminierung und Armut lassen Leenas Eltern zu Alkoholikern werden – der Überlebenskampf eines stigmatisierten Kindes beginnt.

„Bessere Zeiten“, in Schweden als bester Roman des Jahres 2006 ausgezeichnet, wurde 2010 mit Noomi Rapace in der Rolle der erwachsenen Leena verfilmt. Und wer hätte sich hier auch besser geeignet als die Schauspielerin, die die Lisbeth Salander der Millennium-Trilogie von Stieg Larsson verkörperte? Der international mehrfach prämierte Film startet hierzulande am 8. Dezember. Der Samstag ermöglicht vorab den Medienvergleich: Um 16 Uhr liest Susanna Alakoski in der Volksbühne (Rosa-Luxemburg-Platz 1), um 21 Uhr wird dort der Film als Preview gezeigt.

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