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Kultur: Schreibwaren

Georg Büchner lässt Lenz am 20. Jänner durchs Gebirg gehen und verzweifeln.

Georg Büchner lässt Lenz am 20. Jänner durchs Gebirg gehen und verzweifeln. Er "lag über der Erde, er wühlte sich das All hinein, es war eine Lust, die ihm wehe tat". Als es dunkelt, wird ihm entsetzlich einsam. Es war, "als jage der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm". Später, viel später geht er "gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf-, bald abwärts, Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte."

Das letzte Zitat aus Büchners Erzählung "Lenz" hat später Peter Schneider seiner gleichnamigen Novelle vorangestellt. Die Verzweiflung des Jakob Michael Reinhold Lenz hat die Nachwelt stärker interessiert als seine Werke. Stücke wie "Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung" und "Die Soldaten" sind Kuriositäten des Sturm und Drang geblieben, selten gespielt sind sie allenfalls in germanistischen Seminaren präsent: Im Literaturforum widmet sich eine internationale Konferenz (23.5. bis 25.5.) der "Wunde Lenz", die als ein Symbold wiederkehrenden Schmerzes nicht verheilen will. Berichtet wird unter anderem von den Vorbereitungen für eine Gesamtausgabe (Informationen unter Tel. 28 22 003, www.lfbrecht.de ).

"Ausgrabungen" und "Umbettungen" innerhalb der Bibliothek nennt Heinz Schlaffer solche Arbeit polemisch. Für den Stuttgarter Literaturprofessor gibt es im europäischen Kontext nur eine Gipfelphase der deutschen Literatur: die vom deutschen Pfarrhaus befeuerte Goethezeit (in der zu leben Lenz immerhin das Glück hatte). Ihr sei eine Abendröte der Moderne in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefolgt. Diese rigorose Beschränkung hat Schlaffer erlaubt, eine lediglich 150 Seiten "Kurze Geschichte der deutschen Literatur" (Hanser) zu verfassen. F. C. Delius, Winfried Menninghaus, Gustav Seibt und Jörg Drews unterhalten sich im Literaturhaus mit Schlaffer und werden ihn wohl auch fragen, warum die alte Goetheverehrung nun im Gewand einer nicht mehr ganz neuen Literatursoziologie daherkommt (24.5., 20 Uhr).

Nun geht es in die - nach Schlaffer - ach so düsteren Täler gegenwärtiger Literaturproduktion. In einem besonders düsteren liegt Klausen. In seinem zweiten Roman "Klausen" (Suhrkamp) verschreibt sich Andreas Maier ganz dem öffentlichen Gerede, dem Klatsch. Ob Immobilienspekulationen, TV-Serienheldinnen, Großstadt-Heimkehrer, Ausländerfeindlichkeit oder Umweltsorgen - im Südtiroler "Klitschentheater" mit deutschen Gästen besteht die trübe Brühe allein aus Gerüchten. Aneinandergereiht geben sie ein so amüsantes wie verheerendes Bild des menschlichen Miteinanders (Literarisches Colloquium, 23.5., 20 Uhr).

"Winnie" und "Wolf" nannten sich zwei, die einander herzlich zugetan waren: Winifred Wagner und Adolf Hitler. Wolf lernt Winnie kennen, als er 1923 das Grab von Richard Wagner besucht. Eine lebenslange Freundschaft beginnt, die die Ehefrau von Wagners Sohn Siegfried geschickt nutzt, um den Festspielen in Bayreuth den Status eines kultischen Zentrums nationalsozialistischer Machtentfaltung zu sichern. Brigitte Hamann stellt ihre Forschungen zu "Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth" (Piper) im Ethnologischen Museum Dahlem vor (23.5., 19.30 Uhr).

Im Zentrum von Juli Zehs ungemein spannendem Debüt "Adler und Engel" stehen Szenen aus dem Nachkriegsjugoslawien Anfang der neunziger Jahre. Ein Raum voller verängstigter Frauen mit kahlen Köpfen. Einer fehlt ein Ohr. Eine fleht so sehr um ihr Leben, so dass sie nur aus diesem Grund getötet wird. Juli Zeh hat Mostar, Srebrenica und Bihac besucht. Ihr zweites Buch ist kein Roman, sondern der Reisebericht "Die Stille ist ein Geräusch - Eine Fahrt durch Bosnien" (Schöffling). Sie liest daraus im Roten Salon (25.5., 22 Uhr 30).

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