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Schrittmacher mit Herz: Royston Maldoom schreibt Autobiographie

Die Überzeugung, dass jeder ein großes Potenzial hat, und der Glaube an die transformierende Kraft des Tanzes bilden die Philosophie des Choreografen Maldoom, eine Philosophie, die sich hundertfach in der Praxis bewährt hat. Nachlesen kann man das jetzt in dem Buch "Tanz um dein Leben".

Von Sandra Luzina

In dem Dokumentarfilm „Rhythm Is It!“ sagt Royston Maldoom einmal zu seinen Berliner Schülern: „Glaubt nicht, dass wir hier bloß tanzen. Ihr könnt euer Leben verändern durch das Tanzen!“ Alle, die den preisgekrönten Film gesehen haben, haben wohl mitgezittert mit dem knorrigen Briten und seinen jungen Tänzern – und waren am Ende beglückt: Denn vor unseren Augen hat sich wahrhaftig eine Wandlung vollzogen, diese unsicheren Kinder und Jugendlichen tanzten plötzlich mit einer Energie und einer Hingabe, die fantastisch war – und die man ihnen gar nicht zugetraut hätte. Royston Maldoom glaubt daran, dass verborgene Fähigkeiten in jedem seiner Schüler stecken. Deswegen stellt er auch hohe Ansprüche an seine Tänzer.

Die Überzeugung, dass jeder ein großes Potenzial hat, und der Glaube an die transformierende Kraft des Tanzes bilden die Philosophie des Choreografen Maldoom, eine Philosophie, die sich hundertfach in der Praxis bewährt hat. Nachlesen kann man das jetzt in dem Buch „Tanz um dein Leben“, das Maldoom zusammen mit der Berliner Choreografin und Autorin Jacalyn Carley geschrieben hat. Die Autobiografie schildert die Lehr- und Wanderjahre und die wichtigsten Projekte des eigenwilligen Briten, zeigt auf exemplarische Weise, wie eng Kunst und Leben zusammenhängen. Die Lust am Erzählen verbindet sich dabei mit Reflexionen über Tanz, Politik und Pädagogik.

„Rhythm Is It!“ machte Maldoom einem breiten Publikum bekannt. Dem Education-Projekt mit Sir Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern wird in dem Buch allerdings vergleichsweise wenig Platz eingeräumt. Das hat seinen Grund: Denn der Choreograf hatte zuvor schon jahrzehntelang Erfahrung gesammelt in der kreativen Arbeit mit Kindern, älteren oder ausgegrenzten Menschen.

Maldoom ist ein Pionier des „Community Dance“, einer Bewegung, die auch in Deutschland boomt. Jeder kann tanzen, so lautet das Credo. Dass er so entschlossen mit der elitären Gesinnung des Profitanzes brach, ist kein Zufall. Maldoom stammt aus der Arbeiterklasse, es hätte nicht viel gefehlt und er wäre Landwirt geworden. Als er seine Leidenschaft für den Tanz entdeckte, war er schon 22 Jahre alt. Mit Freunden hatte er sich einen Film über das Royal Ballet angeschaut. Vor allem von Rudolf Nurejew war er hingerissen. 48 Stunden später meldete er sich in einer Tanzschule an. Er sei einfach seiner inneren Stimme gefolgt, schreibt er.

Der unbedingte Respekt paart sich bei ihm mit einem unverstellten Blick auf den Menschen. Selbst wenn er mit Straffälligen arbeitet oder mit Jugendlichen arbeitet, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, sieht er in ihnen nicht nur Problemfälle – er spricht sie als Tänzer an und berührt dadurch ganz andere Saiten in ihnen. Ausdrücklich warnt er davor, dass der Sozialarbeiter in dem Choreografen die Oberhand gewinnt.

In der kommunalen Arbeit fand Maldoom seine Berufung, und bald wurde daraus ein „Tanz ohne Grenzen“. Lange Jahre reiste er mit seinen Assistenten als eine Art Feuerwehr in Krisengebiete, wo er aufsehenerregende Projekte auf die Beine stellte. In Südafrika studierte er 1994 mit Jugendlichen aus allen ethnischen Gruppen eine Choreografie ein. Nach der Aufführung ergriff eine Zulu- Mutter seine Hand und fragte: „Woher wussten Sie, wie es war, in diesem Land ein schwarzer Mensch zu sein?“ Ein Höhepunkt des Buches ist das Kapitel, wo er sein Engagement in Äthiopien beschreibt. Mit Straßenkindern studierte er die „Carmina Burana“ ein – an sich schon ein verrücktes Ansinnen. Bei der Aufführung zeigte sich dann die subversive Kraft der Kunst. Denn neben den politischen Würdenträgern saßen Scharen von Straßenkindern, und die feierten ihre Gefährten auf der Bühne wie Helden.

Das Buch des 67-Jährigen ist ein flammendes Plädoyer für den Tanz und eine Ästhetik der Befreiung. Gleichzeitig erscheint das von Jacalyn Carley geschriebene Praxisbuch „Community Dance“, das sich an Choreografen und Lehrer wendet. Leidenschaft, Risikofreude, Humor, darauf komme es letztlich an, erklärt Maldoom – und dass man den angehenden Tänzern mit aufrichtiger Liebe begegne.

Buchpremiere mit Royston Maldoom: 11.3., 20 Uhr im Radialsystem. Royston Maldoom, zusammen mit Jacalyn Carley: „Tanz um dein Leben“, S. Fischer Verlag, 315 S., 22,95 Euro; Jacalyn Carley: „Community Dance – Jeder kann tanzen. Das Praxisbuch“, Henschel Verlag, 160 S., 16,90 Euro.

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