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Kultur: Schröder in den USA: Im Klub der Großen

Der amerikanische Reporter rieb sich die Augen. "Eine interessante Liste", sagte er.

Der amerikanische Reporter rieb sich die Augen. "Eine interessante Liste", sagte er. "Sogar Deutschland ist dabei." Das war am Sonntag. Gerade hatte US-Präsident George W. Bush seine Rede an die Nation beendet, in der er den Beginn des Militärfeldzuges gegen den international operierenden Terrorismus und das in Afghanistan regierende Taliban-Regime bekannt gab. In seiner kurzen Ansprache hatte sich Bush auch bei mehr als vierzig Nationen für die breite Unterstützung bedankt. Fünf Länder allerdings hob er besonders hervor. Als erstes und wichtigstes natürlich Großbritannien, das am aktivsten auf Seiten der Amerikaner kämpft, gefolgt von Kanada, Australien, Frankreich - und Deutschland. Der amerikanische Reporter zeigte sich überrascht. In wenigen Sätzen murmelte er noch etwas über "die Grünen" und erinnerte sich an den Golfkrieg, in dem die Deutschen abseits standen. Dann kam er, weitaus pointierter, auf die aktuelle Situation in Afghanistan zu sprechen.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Hintergrund: US-Streitkräfte und Verbündete Schwerpunkt: US-Gegenschlag, Nato und Bündnisfall Schwerpunkt: Osama Bin Laden Schwerpunkt: Afghanistan Chronologie: Terroranschläge in den USA und die Folgen Fotostrecke: Bilder des US-Gegenschlags Umfrage: Befürchten Sie eine Eskalation der Gewalt? Die öffentliche Einbeziehung Deutschlands in die Anti-Terror-Koalition kommt aus amerikanischer Sicht einer Anerkennung gleich. Man könnte sogar sagen, Berlin sei am Sonntag durch Bush geadelt worden. Willkommen im Klub der Gestalter. Unweigerlich schwang bereits mit, wie Bush bei nächster Gelegenheit, das wird gestern gewesen sein, dem deutschen Kanzler auf die Schulter klopft. Gütig, wohlwollend, freundschaftlich. Endlich scheint der Wirtschaftsriese seiner politischen Zwergenhaftigkeit entwachsen zu sein.

Hinzu kommt, dass der Ruf, den die Deutschen bei der gegenwärtigen US-Regierung haben, vor dem 11. September nicht eben gut war. In den Deutschen bündelte sich irgendwie all das, wofür Washington in den vergangenen Monaten kritisiert worden war: die Todesstrafe, das Recht auf Waffenbesitz, die Missachtung der Vereinten Nationen, die Ablehnung des Kyoto-Vertrags. Die Deutschen sind Weltmeister darin, ihre eigenen Interessen entweder hinter moralischen Prinzipien zu verstecken oder hinter kollektiven Gebilden wie Europa, der OSZE und der Uno. In dieser Kunst sind die Amerikaner sehr viel ungeübter.

Das militärische Engagement freilich, das die Amerikaner diesmal von den Deutschen erwarten und das Deutschland auch anbietet, wird trotz der neuen Freundschaftsbande marginal bleiben. In erster Linie geht es um Symbolik, nicht um Effizienz. Washington braucht für die "Operation dauerhafte Freiheit" ein Höchstmaß an Flexibilität. Von Bundestagsbeschlüssen etwa wird es sich ebensowenig abhängig machen wie von Entscheidungen des Nato-Rates. Es ist kein Geheimnis, dass das Pentagon zunächst gar nicht froh darüber war, als die Nato ihre Hilfe anbot. Höflich bedankte man sich, verzichtete aber gerne darauf, die Einsatzplanung durch den Zwang zur Kooperation unnötig zu komplizieren. Das wird so bleiben.

Sanitäter statt Krieger

Gefragt dagegen ist die Diplomatie, die Humanität und das Geld. Diplomatisch war der deutsche Außenminister in den vergangenen drei Wochen schon recht aktiv. Insbesondere sein Einfluss auf Länder wie Syrien und Iran ist bei der Terrorbekämpfung von großer Bedeutung. Zweifellos hat Washington auch wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass den USA in der Person von Joschka Fischer eine weitere nützliche Makler-Figur für Fortschritte im Nahostkonflikt heranwächst. Bei der Kontrolle der Finanzströme ist es ebenfalls gut, das mächtigste europäische Land eng in die eigenen Interessen eingebunden zu wissen. Das gleiche gilt für das Ziel, die humanitäre Katastrophe zu lindern, die sich in Afghanistan abzeichnet. Deutsche Sanitäter werden eher gebraucht als deutsche Krieger.

Am heikelsten dürfte die Geldfrage sein, bei der die Freundschaft ja bekanntlich aufhört. Denn eines steht fest: Der Kampf gegen den Terror wird teuer, sehr teuer. Die Kassen indes sind diesseits wie jenseits des Atlantiks leer. Und von der Rezessionsangst ist Amerika ebenso erfasst wie Deutschland. Ganz früh schon hat Gerhard Schröder sich deshalb gegen jede Art eines "Ablasshandels" gewehrt. Der grüne Koalitionspartner hat das Wort dankbar aufgegriffen. Mit anderen Worten, und etwas überspitzt formuliert: Deutschland bietet sein Militär an, das Amerika nicht will, verweigert aber Zahlungen, die eventuell freudig angenommen würden.

Diese Haltung birgt Konfliktpotenziale. Denn ob es wirklich stimmt, dass die Bekämpfung des Terrorismus eine gemeinsame Aufgabe ist, der sich alle demokratischen und freiheitsliebenden Staaten stellen müssen, wird sich erst dann erweisen, wenn die Rechnung für diesen Kampf präsentiert wird. Bis dahin bleibt jegliches Bekenntnis zur "uneingeschränkten Solidarität" nichts anderes als - ein Bekenntnis.

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