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Kultur: Schweigen in Stadtmitte

Peter Eisenman plaudert im Roten Rathaus

Er ist der in Berlin derzeit gefragteste Architekt: Peter Eisenman, der Entwerfer des Holocaust-Mahnmals, das am 10. Mai eingeweiht wird. So konnte es nicht ausbleiben, das bei dem als Buchvorstellung und Lesung angekündigten Dienstagabend im Roten Rathaus immer wieder die Rede auf dieses Werk kam, das eines der Wahrzeichen Berlins werden wird.

Buchvorstellung: Da machte Eisenman – geboren 1932 in New Jersey – seinem zahlreich erschienenen Publikum im Festsaal artige Komplimente, denn ein solches Interesse sei in den USA ganz undenkbar, weshalb er auf Deutsch publiziere. Der zweite Band seiner Schriften liegt nunmehr vor, unter dem an Adolf Loos angelehnten Titel „Ins Leere geschrieben“; ein wenig Anmaßung ist das schon – wenn man es nicht als amerikanisches Selbstvertrauen durchgehen lassen will. Übrigens lese er seine Aufsätze, einmal gedruckt, später nie wieder.

Da kam der langjährige Theoretiker zum Vorschein, der mit Philosophen wie Jacques Derrida kommunizierte und hoch komplizierte Texte schreibt. Erst seit 1980 betreibt er ein vollgültiges Arckitekturbüro. Und der zur Architektur – und durchaus auch der eigenen – ein schwieriges Verhältnis pflegt. Das meiste, was so gebaut wird, lässt er nicht als Architektur gelten, und die Frage nach der mittlerweile denn doch erreichten Vollbeschäftigung seines New Yorker Büros tut er mit der Antwort ab, entscheidend sei nicht, „ob wir beschäftigt sind, sondern ob wir noch einige Ideen übrig haben“: „Gibt es in dem, was wir tun, etwas, das der Mühe wert ist?“

Der Mühe wert war sicher das Holocaust-Mahnmal. Eisenman grenzt es als Architektur scharf von der Skulptur ab: weil dieses Mahnmal nur so und nur an dieser Stelle habe entstehen können. Beharrlich grenzt Eisenman sein Werk vom „Kitsch“ ab, den er in so vielen Holocaust–Mahnmalen weltweit sieht: sentimental und nostalgisch. Demgegenüber besteht er auf der Abstraktionsleistung seines Entwurfs, der eben nicht mit Namen und Zeichen operiert, wie sie heutzutage so häufig verwendet werden. Architektur ist für Eisenman – Derrida nahe – Sprache. Das Mahnmal aber hat seine Besonderheit darin, dass es inmitten des städtischen Lärmes schweigt. Dass die überwältigende Mehrzahl der Betrachter sein Werk nicht verstehen werde, nimmt er achselzuckend hin, wie seine Meinung über das Urteilsvermögen der Zeitgenossen, zumal der touristischen, ohnehin denkbar gering ausfällt. Dem reichen Applaus, der Eisenmans bald anderthalbstündigen Auftritt beschließt, tut das keinen Abbruch.

Peter Eisenman: Ins Leere geschrieben. Schriften und Interviews 2. Passagen Verlag, Wien 2005, 320 Seiten, 38 €

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