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Kultur: Schwelgen im Geäst

Die "Wrapped Trees" haben Christo und seine energische Gattin-Managerin Jeanne-Claude weit vor der angekündigten Zeit wieder aus ihren Maßhüllen gewickelt.Schnell produziert war ein begleitendes Bilderbuch, das das Farbspiel der verhüllten Bäume bei Wind und Wetter festhält und eigentlich nur fürs Gedächtnis bewahren sollte, was die Käufer mit eigenen Augen erblickten.

Die "Wrapped Trees" haben Christo und seine energische Gattin-Managerin Jeanne-Claude weit vor der angekündigten Zeit wieder aus ihren Maßhüllen gewickelt.Schnell produziert war ein begleitendes Bilderbuch, das das Farbspiel der verhüllten Bäume bei Wind und Wetter festhält und eigentlich nur fürs Gedächtnis bewahren sollte, was die Käufer mit eigenen Augen erblickten.Vorbei - nun tritt für die Zuspätgekommenen das Buch an die Stelle der Originale.

Zugleich aber bleibt als Attraktion der Fondation Beyeler bis ins Frühjahr hinein die ursprünglich parallel angelegte Ausstellung "Magie der Bäume".Und es bleibt, sollte dies überhaupt noch erwähnt werden müssen, die Attraktion des Museumsgebäudes im schweizerischen Riehen nahe Basel selbst, mit dem Renzo Piano eine der Beyelerschen Klassiker-Sammlung kongeniale Hülle geschaffen hat.Überhaupt ist das Dreiländereck mit dem Mittelpunkt Basel ein Mekka der zeitgenössischen Architektur.Was sich in der Patrizierstadt und wohlhabenden Umland an engagierter bis kompromißloser Baukunst findet, verdient allemal eine eigene Reise - und sei es eine virtuelle in der Fachliteratur.

Doch zu den Bäumen.Wie geht die Kunst mit dem Thema um? Was die Christos draußen im Park zeigten, sollte drinnen mit Spitzenstücken kunsthistorisch geadelt werden.Die "Magie der Bäume" liegt ganz auf der Linie des Hausherrn und Stifters, Meisterwerke der Moderne ohne Zwang zur kunsthistorischen Vollständigkeit zu präsentieren.

Von Baum- und Waldsterben geben die Künstler keine Kunde.Wenn die Ausstellung mit Caspar David Friedrichs "Eichbaum im Schnee" von 1807 einsetzt, so ist damit eine ganz andere Richtung gewiesen, nämlich die der Naturdarstellung als Spiegelung der condition humaine.Das Bild kommt übrigens aus der Berliner Nationalgalerie; so wie die Mehrzahl der gezeigten Werke Leihgaben sind, die heranzuschaffen wohl nur einem derart weltläufigen Händler-Vermittler gelingen konnte wie dem mittlerweile 77jährigen Ernst Beyeler.

"Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es das Schweigen über so viele Untaten einschließt!" Brechts berühmte Verszeilen stehen dem Katalog voran - nur um von den Bildern selbst widerlegt zu werden.Wenn die Bilder oder einzelne von ihnen je aufrüttelnd waren, so haben sie dieses Vermögen gegenüber der schieren Schönheit und Strahlkraft ihrer Farben und Formen eingebüßt.Die klassische Moderne - jedenfalls so, wie sie im Hause Beyeler präsentiert wird - ist zur kostbaren Zierde geworden, und am allerwenigsten erinnert sie noch an die Umstände ihrer Entstehung und die Schicksale ihrer Schöpfer.Van Goghs tiefschwarz gewandeter "Sämann", der unter japanisch geschwungenem Geäst einhergeht, vor einer tiefstehenden Sonne wie einem Heiligenschein: Was sagt er dem Museumsbesucher, der beim Hereinkommen allenfalls den gepflegten Park passiert hat? Und schon schweift der Blick hinüber zu jenem großartigen Bilder-Paar der "Pappeln am Ufer der Ebte", denen Claude Monet 1891 - zu der Zeit seiner Serienbilder - mal im Mittagslicht und mal in der Dämmerung ihr flirrendes Farbspiel abgeschaut hat; und die nebeneinander sehen zu können fast schon allein die Reise nach Riehen lohnt.Darüberhinaus gibt es nicht weniger als vier Baum- und Waldbilder Cézannes, deren lichte Farben in untergründiger Spannung zur Kühle der Konstruktion stehen, die der Maler diesen doch so ungeormetrischen Sujets abrang.Und dann ist Mondrian nicht weit, dessen vier Baumbilder aus den Jahren zwischen 1908 und 1913 vollauf genügen, den Abstraktions- oder Reduktionsprozeß dieses Malers zu veranschaulichen.Dann wieder prangt für sich Henri Russeaus Großformat "Der hungrige Löwe wirft sich auf die Antilope", mit der Beyeler dezent auf die unvergleichliche Qualität seiner eigenen Kollektion inmitten der übrigen 120 Leihgaben hinweist.Oh ja, die Bäume erlauben nicht nur das Schweigen über Untaten, sie schweigen auch selbst über die Untaten unter ihren Kronen.Die nur scheinbar naive Anteilnahme des "Zöllners" Rousseaus am Schicksal der Antilope legt vor allem die Gleichgültigkeit der Natur bloß, was immer das menschliche Auge in ihr sehen wollte.

Dem Ehrgeiz des Hauses entsprechend, die Moderne nicht als abgeschlossene Epoche zu präsentieren, sondern ihr mit zeitgenössischen Werken Aktualität zu bescheinigen, endet auch die Sonderausstellung nicht bei den filigranen Baum-Menschen eines Giacometti oder den leise schwankenden Baum-Mobiles eines Calder.Das Problem ist wieder einmal der Größensprung in den Ausmaßen.Installationen von Richard Long oder Wolfgang Laib beanspruchen soviel Platz wie vier Kabinette voll klassischer Tafelbilder.Dafür ist eine andere Wahrnehmung gefordert.Die "Magie" geht durchaus nicht verloren.Sie leuchtet aus Laibs gesammeltem Blütenstaub wie aus Longs aufgelesenem Treibholz.Wie auch immer - einmal mehr sind in der Fondation Beyeler Meisterwerke zu bewundern.Daß sich die Kunst mit Bäumen beschäftigt hat, darf man gewissermaßen nebenbei vermerken.

Riehen bei Basel, Fondation Beyeler, bis 5.April.Katalog im Verlag Gerd Hatje, Stuttgart, 30 sFr, im Buchhandel geb.78 DM.

Christo und Jeanne-Claude: Wrapped Trees, 1997 - 1998.Fotos von Wolfgang Volz.Taschen Verlag, Köln, Pb.29,95 DM.

Zum Gebäude: Renzo Piano - Fondation Beyeler.Ein Haus für die Kunst.Birkhäuser Verlag, Basel / Boston / Berlin 1998, 58 DM.

Zur Architektur der Region: Lutz Windhöfel: Drei Länder, eine Stadt.Neueste Bauten im grenzübergreifenden Stadtraum Basel 1992 - 1997.Birkhäuser Verlag, Basel / Berlin / Boston 1997, geb.78 DM.

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