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Kultur: Schwingfest bleiben!

Jan Schulz-Ojala singt das Lob der Bronzezeit

Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“, seufzte schon Gretchen dankestrunken beim Anblick des in ihre Schlafstube geschmuggelten Schmuckkästchens – doch ach, die Nachwelt weiß, welch schlimmes Ende es mit Faustens Liebchen nahm. Auch dem Freiburger Bänkelsänger August Schnezler erging es zumindest im Ansatz nicht besser: „Gold und Silber lieb’ ich sehr, kann’s auch gut gebrauchen“, dichtete er 1828 – und womöglich ist es dieser frechen Hymne auf die Hoffart geschuldet, dass sein Name heute weithin vergessen ist, selbst unter uns Populärstliteraturwissenschaftlern.

Oh ja, es lastet ein Fluch auf den Edelmetallen, und es ist keinen Tag zu früh, im deutschen Feuilleton mahnend auf diesen Tatbestand hinzuweisen. Reden wir nicht Silber. Schweigen wir von Gold. Und rühmen stattdessen die Bronze. Gewiss, die Dritte im Bunde der kulturhistorisch geprägten Vorstellungen von bleibendem Wert mag, als Legierung aus Kupfer und Zinn, kein Edelmetall im chemischen Sinne des Wortes sein. Doch vereinigt sie zahlreiche andere Qualitäten. Sie blendet nicht. Sie läuft nicht an. Sondern glänzt seit Jahrtausenden und hat sogar ein ganzes Zeitalter begründet.

Bronze ist hart, doch äußerst gussgeeignet, heißt es im sturzfesten Konversationslexikon aus der gefühlten Bronzezeit. Bronze ist zudem verschleißsicher und verfügt über „hervorragende Dauerschwingfestigkeit“, notiert das Deutsche Kupferinstitut neidlos im Internet. Dauerschwingfest erweist sich Bronze auch als philosophische Legierung, weiß sie doch das Angenehme mit dem Nützlichen, die Unentbehrlichkeit sowohl im Kunstwerk als auch im Geräteschuppen auf das Erfindungsreichste zu vereinen.

Aus Bronze machten unsere Ahnen Lanzen, Kirchenglocken, Kanonen (letztere auch mal eilig aus Glocken), Münzen und Medaillen – und seit jeher Kunst. Die kapitolinische Wölfin? Aus Bronze. Rodins „Denker“? Ohne Bronze nicht zu denken. Als moderner Werkstoff findet Bronze etwa in der Elektronik und hochkomplizierten Zahnrädern Verwendung. Silber dagegen glänzt bekanntlich nicht lange ohne Putzmittel. Und Gold macht sich bloß in rotten Zähnen nützlich.

Mit anderen Worten: Bronze ist solide. Und schön. Passt das nicht super zu uns Deutschen? Höchste Zeit, einen Tag der Bronze auszurufen, bevor wir den Abend loben. Andere mögen blitzen und blinken, wir Deutschen schmelzen derweil unsere Trikolore dauerschwingfest in die nationale Seele ein. Und was kommt raus aus Schwarz-Rot-Gold? Bronze.

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