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Kultur: Schwingung in der Straße

Das „Bender“-Haus in Mitte schimmert

Die Hessische Straße ist eine typische Berliner Durchgangsstraße, ein kurzes Verbindungsstück zwischen dem Naturkundemuseum und der Hannoverschen Straße. Ausgerechnet hier hat das Architekturbüro „deadline“ auf einem kleinen Grundstück mit seinem ersten Bau eine bemerkenswerte Landmarke geschaffen. „Bender“ nennen Britta Jürgens und Matthew Griffin ihr Haus, ein deutsch-englisches Wortspiel, mit dem sie einerseits auf die drei schmalen Bänder anspielen, in die sie die Fassade untergliedert haben. Andererseits nehmen sie so Bezug auf die gebogene, silbrig schimmerne Stahlverkleidung der Straßenfront.

„Bender“ erweist sich als eine Mischung aus normaler Blockrandbebauung und Solitär, ein Kopfbau, der die vor zwei Jahren von den Architekten sanierte und aufgestockte Hofbebauung nun zur Straße hin vervollständigt. An sein Nachbarhaus schließt der Bau ganz konventionell an. Doch dann beginnt er, durch die beiden vor- und zurückkragenden, abgerundeten „Bänder“ den Straßenraum zu modellieren. Die Architektur scheint in Bewegung zu kommen und erinnert dabei an zwei gegeneinander laufende Wellen.

Die frei stehende Seite des Hauses, die den Eingang zum Gelände eines Instituts der Humboldt-Universität einfasst, ist dagegen in Glasflächen aufgelöst. Doch obwohl „deadline“ eine Vielzahl unterschiedlicher Motive auf einem vergleichsweise kleinen Grundstück an dem Haus einführt, fällt das Gebäude optisch nicht auseinander, sondern fügt sich zu einer kraftvollen Architekturplastik, die den Raum in der Straße neu definiert.

Der für Berlin höchst unkonventionellen Fassadengestaltung entspricht auch das betont strenge Treppenhaus. Ursprünglich als Bürohaus geplant, sind nun in dem Gebäude einfache, aber stilsicher eingerichtete City-Apartments entstanden. Teilweise mit Lehmputzwänden versehen, ergibt sich zusammen mit dem Betonestrich und der Betonstruktur des Hauses ein raues, aber stimmiges Ambiente.

Die abschließenden beiden Geschosse haben die Architekten für ihr eigenes Büro reserviert. Dort ist die geschwungene Dachbewegung unmittelbar zu erleben. Eine wunderbar dynamische Stahltreppe verbindet beide Büroebenen. Und dank des aus der Fassade herausragenden Terrassenstegs können alle, die schwindelfrei genug sind, einen ganz anderen Blick über Mitte gewinnen.

Jürgen Tietz

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