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Kultur: Schwitzen im Oberhemd

nimmt heimlich eine Tanzstunde Eine der guten Sachen am späten 20. Jahrhundert waren die Gewissheiten.

nimmt heimlich eine Tanzstunde Eine der guten Sachen am späten 20. Jahrhundert waren die Gewissheiten. Ein paar Dinge waren damals einfach klar, vor allem, was man nicht tun durfte, wenn man cool sein wollte. Gebügelte Oberhemden tragen zum Beispiel, war relativ verboten. Und vollkommen einig war man sich, dass man auf gar keinen Fall in die Tanzschule ging. Heute ist alles nicht mehr so einfach. Die Lederjackenträger von früher laufen plötzlich in Businessklamotten rum. Die ersten Leute gestehen einem, dass sie eigentlich lieber die Partei gewählt hätten, die eine Frau aus dem Osten aufgestellt hat als die mit dem Testosteron-Macho aus Niedersachsen. Eine Kollegin sagt nach dem dritten Bier verschämt, dass sie jeden Donnerstag Unterricht im Paartanz nimmt.

Mein Tanzkurs hieß dann Lindyhop. Es war in einem Keller und allen war es peinlich. Aber nach einer Stunde eins-zwei-drei fegte man schon die ersten Drehungen übers Parkett, und nach einer weiteren Stunde war man außer Atem wie zuletzt nur beim Waldlauf der Schulen. Lindyhop ist weit wilder und gefährlicher als alle New-Wave-Zuckungen der letzen Jahrzehnte zusammen. Was kümmern einen da die Dogmen von früher?

Mittlerweile geht man hoch erhobenen Hauptes zu Tanzstunden und sogar zu Konzerten mit echten Instrumenten wie Saxofon und Trompete. Der Be Bop Battlin Ball am 4. und 5. November im Kesselhaus der Kulturbrauerei (ab 19 Uhr) bietet alles auf, was der Tanzschuhträger braucht. Aus Las Vegas kommen die Big Sandy and the Fly-Rite Boys, am Samstag tritt Ray Collins Hotclub auf, die mutmaßlich beste Boogie-Kapelle Deutschlands. Ray Collins Auftritt war nicht nur der Höhepunkt in Till Schweigers ansonsten belanglosem Film „Barfuß“, mit seinem Jumpin’ Jive im Big-Band-Gewand jettet der Ruhrpötter mittlerweile um die ganze Welt. Nach und während seinen Konzerten wird getanzt, dass die Röcke fliegen. Und selbst Lederjackenträger fühlen sich bei Ray Collins zu Hause. Man muss ja nicht gleich übertreiben mit den Veränderungen.

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