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Animiertes Alter Ego. Auf dem Kongress trifft Robin Wright Schicksalsgenossen: Star, die sich in den Fantasywelten des Kinos abhanden gekommen sind.

© Pandora Filmverleih

Science-Fiction: Endlich unsterblich

Der digitale Star: Ari Folman entwirft in „The Congress“ ein fantastisch-verwirrendes Szenario über die Zukunft ins Kino - zwischen Animation und Realfilm. Und Robin Wright spielt sich selbst.

Seit dem NSA-Abhörskandal hat sich herumgesprochen, dass der gläserne Mensch keine Schreckensvision von Verfolgungswahnsinnigen ist, sondern Realität. Bis zur nächsten Stufe, zum digitalisierten Menschen, ist es nur noch ein kleiner Schritt. Nicht nur in Hollywood werden Stars längst gescannt, damit sie künftig in jeder beliebigen Rolle in jedem beliebigen Film auftreten können. Robin Wright soll die Nächste sein, in „The Congress“ spielt sie sich aber erst einmal selbst. „Schau mich an“, sagt ihr Agent (Harvey Keitel). Close-up auf Robin Wright, ihr Gesicht in Großaufnahme – eine Diva, bigger than life. Das gute alte Kintopp, ja so sah es aus.

Das digitale Alter Ego in "The Congress" muss Familie und Beruf nicht in Einklang bringen

Aber diese Robin Wright ist auch eine alternde Schauspielerin, ein sinkender Stern. Also macht ihr das Studio ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann. Es kauft die Rechte an ihrer Person auf 20 Jahre, und sie kauft sich frei von den Zwängen der Verfügbarkeit. Vorbei die Zeit in der freien Welt mit all ihren Komplikationen, den Engpässen zwischen Job und Familie. Wright lebt mit ihrem zarten, kranken Sohn Aaron (Kodi Smit-McPhee) und der aufmüpfigen Tochter im Hangar am Rand eines Flughafens; Aaron lässt Drachen steigen und gefährdet den Luftverkehr. Seinetwegen hatte die Mutter am Set oft auf sich warten lassen.

Wie die Fantasie und die Technik einander beflügeln und zugleich gefährden, dafür findet Ari Folmans „The Congress“, eine freie Adaption von Stanislaw Lems Roman „Der futurologische Kongress“ von 1971, zunächst bestechende Bilder. Ein wenig steif wirkt der Film des israelischen Regisseurs anfangs, deutlich als Kopfgeburt gekennzeichnet. Aber es geht ja um den Warencharakter des Kinos, die synthetische Herstellung von Emotion. In der Hightech-Kuppelhalle des Scan-Studios soll Robin Wright die gesamte Palette der Gefühlsregungen auf ihr Gesicht zaubern, Angst, Glück, Trauer, Verwirrung, ihr Lächeln. Emotionen auf Knopfdruck? Erst muss Harvey Keitel ihr eine Geschichte erzählen – die spontane, unwillkürliche Empfindung bleibt selbst im Zeitalter der Bits und Bytes der Rohstoff des Kinos. Auch der digitalisierte Mensch ist ein soziales Wesen.

3-D, Cartoon, Realfilm, Fantasy, Zombiehorror: Ari Folman schöpft aus dem Vollen

Eines hatte der Star sich für sein digitales Alter Ego ausbedungen: keine Science-Fictions. Weshalb sich Robin Wright zwanzig Jahre später in einem animierten Sci-Fi-Szenario wiederfindet, der einzigen Sphäre, die ihr als Refugium bleibt. Ein Kongress ist anberaumt, für sie und ihre Schicksalsgefährten, für die Studiobosse und Medienmogule, die Zukunft der Bilder. Eine neue chemische Substanz macht’s möglich, dass der Fan sich seinen Idolen nun restlos anverwandeln kann. Sie können dich sogar als Milchshake trinken, erfährt Wright. Es lebe die Freiheit der Fantasie.

In seinem gefeierten Soldatendrama „Waltz with Bashir“ (2008) hatte Ari Folman sein eigenes Nahostkriegstrauma in Szene gesetzt, Fragen von Schuld und Verdrängung mit den Mitteln des Animationsfilms gestellt. Diesmal will er die Perversionen der eigenen Branche anprangern.

Also schöpft sein neuer, von sechs europäischen Ländern koproduzierter Film aus dem Vollen, Folman nutzt 3-D, Zeichentrick, Realfilm, Fantasy, Cartoon, Manga, Sci-Fi- und Zombie-Horror. Auch für die Berliner ist was dabei: Die Flughafenszenen sind auf dem Tempelhofer Feld gedreht, am Ende hebt hier gar ein Zeppelin Richtung Jenseits ab.

Robin Wright sucht ihren Sohn, trifft alte und neue Kollegen (u.a. Jon Hamm), im Fantasy-Kongressresort braut sich eine Rebellion zusammen und auf den (Steve Jobs ähneldem) Messias der ultimativen chemischen Fantasie-Formel wird ein Anschlag verübt. Mehr und mehr verirren sich die Figuren auf den Spiel- und Zeitebenen, zwischen Fakt und Fake, Vision und Protest, Himmel und Erde. Bei aller Liebe zum Kino der Zukunft: Irgendwann findet auch der Zuschauer aus dem Dickicht der Imagination nicht mehr heraus.

In Berlin in der Originalversion im Cinestar Sony-Center. OmU im Filmkunst 66, Filmtheater am Friedrichshain, Hackesche Höfe, International, Kulturbrauerei, Neues Off, Odeon

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