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Hart an der Grenze. Soulsängerin Ayo in der Transitzone.

© Farbfilm

Sciene-Fiction-Film Volt: Land unter Strom

Tarek Ehlails filmische Dystopie "Volt" verarbeitet die globalen Migrationsbewegungen als Genrekino.

Deutschland, in naher Zukunft: In abgeriegelten, von post-industriellem Verfall gekennzeichneten Transitzonen sind Geflüchtete sich selbst überlassen. Regelmäßig dringen Einsatzkommandos der Polizei, in deren Reihen Zynismus und Rassismus grassieren, in die Gebiete vor, um für Ordnung zu sorgen. Sie verteidigen die scharfe Grenze, die die verwahrlosten, aber autarken Ghettos von den aufgeräumten, tristen Vorstädten trennt.

Der desillusionierte Polizist Volt, von Benno Fürmann mit eindrucksvoll angespannter Physis verkörpert, gehört zu dieser multinationalen Einsatztruppe. Er lebt in einer Reihenhaussiedlung, seine Wohnung erinnert selbst an einen Transitraum, ohne Anzeichen einer persönlichen Erinnerung. Als Volt bei einem Routineeinsatz den Geflüchteten Hesham (Tony Harrisson) tötet, verhärten sich die Fronten. Zwar entkommt Volt unerkannt, aber ein interner Ermittler (Kida Ramadan) beginnt innerhalb der Gruppe, unbequeme Fragen zu stellen. Und während die Polizei bereits härtere Geschütze auffährt, wird Hesham in der Transitzone als Märtyrer gefeiert.

Rohheit des Punk

Volt wechselt indessen undercover die Seiten. Auf der Suche nach einem möglichen Tatzeugen lernt er die Lebensrealität der Subalternen kennen – und die Schwester des Getöteten (gespielt von der Soulsängerin Ayo, zuletzt in Raoul Pecks „Mord in Pacot” zu sehen). Ähnlich wie Philipp Leinemann, der 2014 mit dem harten Polizeidrama „Wir waren Könige“ auf sich aufmerksam machte, geht es auch dem Deutsch-Palästinenser Tarek Ehlail um physische Wucht. Ehlail nähert sich dem Genrekino von der Rohheit der Punk- und Kampfsportsubkulturen her, denen der Do-It-Yourself-Filmemacher selbst entstammt. Entsprechend spielten seine bisherigen Filme auf gesellschaftlichen Feldern zugespitzter Konfrontationen: in „Chaostage“ (2009) in der Punkszene, in „Gegengerade” (2011) im Fußballfanmilieu.

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Für pädagogische Vorhaltungen, Zwischentöne und Besonnenheit ist in dieser Welt aus Muskeln, Schweiß und vernarbten Gesichtern kein Platz. Stattdessen setzt Ehlail auf eine apokalyptische Noir-Ästhetik und hämmernde Technosounds (vom ehemaligen Atari-Teenage-Riot-Frontmann Alec Empire). Endlich macht ein Filmemacher mal die grandiosen Kulissen der industriellen Landversiegelung urbar, die jede längere Zugfahrt durch Deutschland säumen. Ein düsterer Bilderschatz.

Dank dieser formalen Konsequenz ist auch manche Unebenheit des Drehbuchs verzeihlich. „RAF-Vampire beim Erfurter Blutbad” hatte Dominik Graf vor 14 Jahren in der „Zeit“ gefordert. Er sprach sich für ein überfälliges Genrekino aus, das sich „in die Abgründe und Ängste der jetzigen Krise, in die Dunkelheiten der Prophezeiungen stürzt“. In einem Jahr, in dem nicht auszuschließen ist, dass erstmals Rechtspopulisten in den Bundestag einziehen werden, haben die Spannungen in Tarek Ehlails Dystopie aber vielleicht mehr mit der Wirklichkeit zu tun, als uns lieb sein kann.

In vier Berliner Kinos

Thomas Groh

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