zum Hauptinhalt
Vom wilden Alltag gepudert. Der Kabarettist Sebastian Krämer.

© Christian Biadacz

Sebastian Krämer im Heimathafen: Puppi-Duppi und das Planetarium

Blitzender Wortwitz und schimmernde Moll-Melodien: Der Kabarettist Sebastian Krämer gibt eine großartige Show im Heimathafen Neukölln.

Jetzt ist es in dieser unersättlichen Stadt schon so weit, dass vor den Konzerten von Klavierkabarettisten Menschen stehen, die mit Zetteln in der Hand um Karten barmen. Na gut, es sind nur ein paar und es ist auch nicht die Schmeling-Halle, sondern der Heimathafen Neukölln, aber trotzdem schafft das außer Rainald Grebe nur einer, und der heißt Sebastian Krämer. Die beiden und Thomas Pigor waren dieses Jahre allesamt für den Deutschen Musikautorenpreis der Gema nominiert. Gewonnen hat ihn aber der 41 Jahre alte Ostwestfale Krämer, der das Zebrano Theater am Berliner Ostbahnhof mitgegründet hat und dort jeden ersten Sonntag im Monat zum Club Genie und Wahnsinn lädt.

„Im Glanz der Vergeblichkeit“ betitelt Krämer sein jüngstes Programm und veredelt die Uraufführung durch den anfänglich etwas zu heterogenen, später aber harmonischen Klang des 20-köpfigen Metropolis Orchesters Berlin. Sonst wird die Blässe seines Melancholiker-Teints nur von der Gräue seiner Anzüge kontrastiert, diesmal tritt der spillerige Pianist in einem schicken goldbraunen Satinanzug auf, der auch Liberace gestanden hätte. Mit dem hat der Chansonnier zum Glück aber sonst gar nichts gemein und so entfaltet sich nach der Orchesterouvertüre der Krämer-typische Ritt durch poetische Alltagsminiaturen und musikalische und dichterische Referenzen zwischen Romantik, Aufklärung und den Absurditäten der Moderne.

„Puppi Duppi“, der vom Schicksal einer im Garten vergessenen Puppe handelnde Auftaktsong, wird zur fingerschnippenden Swingnummer. Das „Chanson d’aventure“, die allerdings nicht neue, dafür geniale Lebensklage eines modernen Drachentöters, erklingt – nur von Cello und Barockharfe begleitet – als grotesk-bewegende Moritat. Krämer singt, spielt und plaudert wie aufgezogen. Einige Abstimmungsschnitzer mit dem Orchester sprechen von zu wenig gemeinsamer Probenzeit. Geschenkt.

Es ist ein großer Abend des blitzenden Wortwitzes und der schimmernden Moll-Melodien. Zum absoluten Lieblingslied wird „Im Planetarium“. Es zeigt die ganze mit dreisten Stimmungsbrüchen arbeitende Kunst von Sebastian Krämer. Umflossen vom Schmelz lyrischer Streicher-Arrangements singt er vom Zauber des Sternenzelts und dem zeitgleich stattfindenden Kampf einer Lehrerin, die ihre Grundschulklasse ruhig halten will. Himmlisches Sentiment trifft irdische Lakonie. Die Leute seufzen gerührt, ihre Beine trampeln Applaus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false