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Kultur: Sechs Worte für ein Wunderkind

Talentprobe oder Trash? „Adaptation“-Regisseur Spike Jonze spricht nicht gern über seine Filme

Being Spike Jonze – wie fühlt sich das an? „Müde“, sagt er, „nur eine Stunde geschlafen.“ Und umklammert das altrosa Seidenkissen vor seinen Bauch wie eine kleiner Junge, den man aus dem Bett geworfen hat. Will weiterschlafen. Darf aber nicht. Immerhin: Die grauen Augen wirken schon etwas wacher als der 34jährige Körper, der gekrümmt auf diesem altrosafarbenen Ungetüm von Sofa sitzt.

Sieht so ein Versandhaus-Erbe aus? Spike Jonze, bürgerlich: Adam Spiegel, deutsche Vorfahren, wird den Ruf nicht mehr los, Erbe der Spiegel-Millionen zu sein. Hat es aufgegeben, das zu dementieren. Er hat viel interessantere Verwandtschaft. Spike Jonze, das Wunderkind, von dem sein Schwiegervater, Francis Ford Coppola, sagt: „In ein paar Jahren werden wir alle für diesen Jungen arbeiten.“ In den Straßen von Berlin würde er kaum auffallen mit seinen strubbeligen dunkelblonden Haaren, Kapuzen-Sweater, Jeans. Ein Mitte-Boy. Vermutlich stand er so jahrelang auf seinem Skateboard. Mit Artikeln und Fotos über Skateboards begann seine Karriere. Dann kamen die Musikvideos, die er für Björk oder die Beastie Boys drehte. Mittlerweile etabliert Jonze nebenbei seine eigene Skateboard-Marke, und der Foto-Apparat, den er kaum aus den Händen legt, ist eine gediegene Leica.

In dem Anti-Kriegsfilm „Three Kings“, der während des ersten Golfkriegs spielt, hat Spike Jonze, um die andere Seite kennen zulernen, mal selbst eine Rolle gespielt: einen schießwütigen Redneck. Sehr überzeugend. Sehr einsilbig. John Malkovich, dem namensgebenden Darsteller von Jonzes erstem Spielfilm, wird die Aussage zugeschrieben, Jonzes Wortschatz beschränke sich auf fünf, sechs Vokabeln. Und wenn er die Chance hätte, in Jonzes Kopf einzudringen, würde er als erstes das Sprachzentrum aufbohren.

Hat er ihn jemals zu seinen künstlerischen Absichten befragt? Wer weiß, vielleicht hat Jonze den folgenden Monolog über „Adaptation“ auch auswendig gelernt: „Die Charaktere sind gefangen in ihrer Welt und versuchen, eine Verbindung nach draußen zu finden. So wie jetzt: Ich rede und frage mich gleichzeitig: Macht das Sinn, was ich hier sage oder labere ich einfach nur? Sollte ich besser einfach den Mund halten? All diese Gedanken, die einem durch den Kopf schießen. Aber ich kann nicht schweigen, weil ich hier in diesem Interview etwas sagen muss. Ich muss schlau klingen. Und ich frage mich: Klingt das gut genug, was ich hier sage oder sollte ich mich besser damit entschuldigen, dass ich Jet-Lag habe?“ Während er das sagt, blickt er wie geistesabwesend zu Boden. Aber der schüchtern wirkende Junge hat es faustdick hinter der Kapuze. „Jackass“, die Stunt-Show auf MTV, bei der junge Männer für kurze Sketche zum Beispiel Feuerwerkskörper aus ihrem Anus abschießen, geht auch auf sein Autoren- und Produzenten-Konto. Ende des Monats kommen diese Pubertäts-Streiche sogar als Kino-Ereignis zu uns. In den USA hat die Knochenbrecher-Show bereits 64 Millionen Dollar eingespielt, mehr als das 12-fache der Produktionskosten.

„Jackass“ ist natürlich eine andere Tasse Tee als das intellektuelle Vexierspiel um einen Drehbuchschreiber. Aber die Leute von „Jackass“ kennt Jonze eben schon „seit der Junior High School, seit ich 12 bin, also schon immer“. Hat er selbst früher auch solche Scherze gemacht? „Sicher“. Auch mal die Knochen gebrochen? „Natürlich.“ In die Minibar hat die Hotel-Leitung als freundliche Geste einen echten Stein der Berliner Mauer gelegt, verpackt in eine Plastik-Box. Das waren auch Leute, die in ihrer Welt gefangen waren und einen Weg nach draußen suchten. Aber das ist eine andere Geschichte.Ralph Geisenhanslüke

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