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Paprika im Blut. So wie bei den Proben in Budapest (in der Mitte Ralph Morgenstern als Butler Mischka), soll die Czárdásfürsten am Sonnabend in der Waldbühne aussehen.

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Seefestspiele in Berlin: Im Trockendock

Mit der „Czárdásfürstin“ landen die Seefestspiele in der Waldbühne. Komponistentochter Yvonne Kálmán ist Ehrengast.

Es war einmal ein Traum: von der eigenen Seebühne, von Oper auf dem Wasser, von Zuschauern, die sich vom Sonnenuntergang über dem See verzücken lassen. Von einem „Bregenz des Nordens“. Wenn am kommenden Samstag in der Waldbühne Emmerich Kálmáns Operette „Die Csárdásfürstin“ aufgeführt wird, ist dies die vorerst letzte Schwundstufe einer Idee, die noch vor zwei Jahren große Anziehungskraft besaß. Was hatten Peter Schwenkow und seine Deutsche Entertainment AG nicht alles für Pläne: Südlich von Potsdam, auf der Insel Hermannswerder, wollten sie die „Seefestspiele Berlin“ begründen. Mit Christoph Dammann war ein Intendant gefunden.

Doch die zum Auftakt geplante „Zauberflöte“ geriet ins Schlingern, bevor es richtig beginnen konnte, und wurde zu einer endlosen Lokalsaga. Anwohner sorgten sich vor Lärm, der Umweltschutz wurde in Frontstellung gebracht, die Potsdamer Politik übte sich in Desinteresse. Entnervt begann Schwenkow einen Reigen von Pressekonferenzen an symbolträchtigen Orten und verkündete im März 2011 im Opernpalais Unter den Linden, die Seefestspiele ins Strandbad Wannsee zu verlegen: „Da werden wir mit offenen Armen empfangen.“ Auf den Bezirk Steglitz-Zehlendorf und Schwenkows Parteifreund, Bürgermeister Norbert Kopp (CDU), traf das zu, nicht aber auf die Senatsverwaltung für Umwelt: Die mahnte Wasserschutz an, die Bühne musste aufs Trockene ziehen. „Hier sind wir weniger dem Wind ausgesetzt“, prophezeite Meister-Schönredner Schwenkow damals.

Katharina Thalbach lieferte auch auf der Wiese eine propere „Zauberflöten“-Inszenierung ab. Zwei Sommer lang segelten die Seefestspiele in vergleichsweise ruhigem Fahrwasser, in der Französischen Botschaft wurde 2012 Volker Schlöndorff als Regisseur für „Carmen“ präsentiert. Doch die Senatsverwaltung gab keine Ruhe, die Zuschauertribüne stand immer noch zu weit im Wasserschutzgebiet, also brüllte Löwe Schwenkow: „Wir ziehen ganz weg aus Berlin“. Es fand sich keine andere Stadt. Im November 2012 zog der Löwe den Schwanz ein und beteuerte auf einer Pressekonferenz im Collegium Hungaricum: „Wir sind in uns gegangen und haben unsere zweite Liebe zum Wannsee entdeckt. Die Atmosphäre dort ist eben doch das Schönste, was es gibt.“

Ehrengast. Die Komponistentochter Yvonne Kálmán reist extra aus Mexiko an. Hier posiert sie mit einer Büste ihres Vaters.
Ehrengast. Die Komponistentochter Yvonne Kálmán reist extra aus Mexiko an. Hier posiert sie mit einer Büste ihres Vaters.

© Promo

Die vorerst letzte Volte dann im Mai: Die „Csárdásfürstin“ wird nicht mehr am Wannsee gezeigt, sondern in der Waldbühne – und statt zwölf Aufführungen gibt es noch eine, was das verschämt beibehaltene Label „Seefestspiele“ ad absurdum führt. Zeigten die Veranstalter bislang den Ehrgeiz, prominente Regisseure zu engagieren und junge Sänger aus Berlin zu casten, ist die Inszenierung dieses Mal vom Budapester Operettentheater eingekauft. Intendant Dammann ist von der Bildfläche verschwunden. Die Tourneeproduktion von Miklós Fábor Kerényi, der sich als Regisseur Kero nennt, ist überall auf der Welt zu sehen, demnächst in Tel Aviv. Für Berlin wird das Bühnenbild leicht angepasst, zwei prominente deutsche Gesichter sollen Publikum anlocken: Anna Maria Kaufmann singt die Titelrolle der Tänzerin Sylva Varescu, die nicht gut genug ist für eine fürstliche Heirat. Ralph Morgenstern übernimmt die für ihn ausgebaute Sprechrolle des Butlers Mischka.

Das Stück selbst kann für all das Hin und Her, das der Aufführung vorausging, nichts. Die „Csárdásfürstin“ gehört immer noch zu den populärsten Operetten weltweit. Kálmán schrieb sie mitten im Ersten Weltkrieg, die aristokratische k. u. k-Gesellschaft, die sie karikiert, war zum Untergang verdammt, was den schmachtenden, süffigen Liedern nichts von ihrer Beliebtheit nimmt. „Beim Csárdás tanzt man einen Schritt vor und einen zurück. Das bringt die Wehmut, die Melancholie des ungarischen Charakters wunderbar auf den Punkt“, erzählt Yvonne Kálmán. Die Tochter des Komponisten war 16, als dieser 1953 in Paris starb. „Diese Aufführung ist ein Riesengeschenk.“ Selbstverständlich wird sie am Samstag in der Waldbühne sein, denn obwohl sie heute in Mexiko lebt, reist sie so oft wie möglich zu den Aufführungen der Werke ihres Vaters. Im Januar war sie beim Neujahrskonzert der Sächsischen Staatskapelle, wo Christian Thielemann Stücke von Kálmán dirigierte.

Die Operette – ein Genre, das sich überlebt hat? „Nicht, wenn sich so große Künstler wie Christian Thielemann, Anna Netrebko, Jonas Kaufmann oder Diana Damrau dafür engagieren“, meint Yvonne Kálmán – und vergisst auch nicht, Barrie Kosky zu preisen, der die Operette nach Kräften wiederbelebt, seit er Intendant der Komischen Oper ist. Im Dezember lässt Kosky Kálmáns „Die Herzogin von Chicago“ aufführen, wenn auch nur konzertant. Die Neuköllner Oper oder freie Gruppen wie Novoflot haben ihr Interesse für Jacques Offenbach entdeckt, Herbert Fritsch inszeniert an der Volksbühne „Frau Luna“. Die „Renaissance der Operette“, die Peter Schwenkow mit dieser „Csárdásfürstin“ großspurig ankündigt – sie ist schon längst im Gang.

Waldbühne, 17.8., 19.30 Uhr

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