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Kultur: Seele und Klischee

LIEDERABEND

Die schweren Portieren fest geschlossen, der Samowar geheizt, alle Anwesenden in freudiger Erwartung: So muss es gewesen sein im Salon der Madame Larina, als Tatjana ihren Eugen Onegin sehnlichst zurückerwartete. Und so ist auch die Stimmung bei Paata Burchuladzes Liederabend an der Deutschen Oper . Vor vier Jahren wurde er von der russisch-orthodoxen Kirche zum Fürsten erhoben, und in der Tat strahlt er die Grandezza eines Fürsten Gremin aus, wenn er Tschaikowski, Arensky und Glinka singt. Dies ist nicht die Stunde der subtilen Gestaltung, die vokalen Effekte sind dick aufgetragen – und verfehlen ihre Wirkung nicht. Alle Lieder, auch die komischen, kommen als Vorstudien zur Wahnsinnsszene des Boris Godunow daher, einzig in Rachmaninows ausgedehntem „Schicksalslied“ macht Burchuladze deutlich, dass ihm auch die schattierten Töne noch zur Verfügung stehen. Ganz zu Hause fühlt er sich jedoch in der opernhaften Geste, im übergroßen Gefühl. Beherzt greift auch die Pianistin Ludmila Ivanova in die Tasten, singt stumm die Texte mit und freut sich offenbar sehr über die Seelenverwandtschaft zwischen Sänger und Begleiterin. Nach der Pause wird das Programm hochdosierter Depressiva abgerundet durch Mussorgskis „Lieder und Tänze des Todes". Auch hier herrscht die großformatige Geste vor, nah am Klischee und doch überraschend stilsicher. Die knappen Rollenwechsel in diesem Totentanz bereiten Burchuladze sichtliches Vergnügen. Der Schrecken des Reigens ist durch die Größe des Vortrags gebannt.

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