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Kultur: Seelen fangen

Regisseur Besson über Schönheit und Make-up

Monsieur Besson, „Angel-A“ erinnert mitunter an „Leon, der Profi“: einen harten Film, der zugleich eine éducation sentimentale war. Auch in „Angel-A“ geht es um die Überwindung von Einsamkeit.

Komisch, ich habe nie an eine Verwandtschaft zwischen den beiden Filmen gedacht. Und jetzt spricht man mich häufig darauf an. „Leon“, da liefen ein streunender Hund und eine streunende Katze eine Strecke gemeinsam, weil sie zwei Verlassene sind. „Angel-A“, das ist ein Mann mit sich selber. André und Angela, das ist eine einzige Person, eine Metapher. Er ist innerlich so schön, wie sie äußerlich schön ist.

Andererseits ist der Mann erdrückt von seinen Problemen, und eine Frau rettet ihn.

André vertraut dem Mädchen, weil es rein ist, so rein wie er. Da entsteht eine Zuneigung, eine Liebe ohne Sexualität. Was ist Weiblichkeit? Die Fähigkeit zu verzeihen. Die Liebe zum Leben. Frauen wissen, woher das Leben kommt.

Das klingt sehr intim. Früher haben Sie Spannungskino und Actionfilme gemacht.

Diese Intimität hat mich schon lange gereizt. Nur habe ich früher immer Musik, Farben, Action über alles gemixt, vielleicht aus Angst, sonst zu nackt zu sein. So wie wenn man eine Liebeserklärung mit Humor macht, da gibt es immer die Möglichkeit zum Rückzieher. In „Angel-A“ will ich diese Poesie, das Schwarzweiß, diese seelische Nacktheit. Man verplempert so viel Zeit damit, besser zu erscheinen als man ist. Man ist doch nicht jeden Tag schön und schlau.

Man könnte „Angel-A“ als ein Märchen für Jugendliche lesen.

Die zu Jungen sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihre eigenen Lügen zu durchschauen. Das Sich-schön-Anziehen etwa, die ganze Schminkerei: Wenn man einer 14-Jährigen sagt, ohne Make-up bist du noch hübscher, dann versteht sie das nicht. Ab 20 aber ist man mitten drin im Thema. Danach hat man die Selbstfindungsprobleme vielleicht geregelt und kann den Film mit einem Lächeln sehen.

Ihr Verhältnis zu den Medien in Frankreich gilt als schwierig. Sie verzichten sogar auf Pressevorführungen.

Nur in Paris, da werde ich sowieso dauernd beschimpft. Die Pariser Journalisten haben sich total von der Realität abgekoppelt. Die Realität, das ist jemand, der mit neun Euro vor 15 Sälen steht und sich für einen Film entscheiden muss.

„Libération“ hat eine regelrechte Hass-Kritik veröffentlicht, die ging mehr gegen Sie als gegen den Film. Woher dieser Furor?

Weil mein Erfolg ohne die Journalisten funktioniert. „Im Rausch der Tiefe“ war 1988 in Cannes von den Medien massakriert worden, und dann wurde er einer der größten Erfolge in der Geschichte des französischen Kinos. „Das fünfte Element“ wurde 1997 auch nicht schlecht abgestochen. Und jetzt „Angel-A“, das ist immerhin ein Film ohne Waffen, Politik, Sex, Drogen und Gewalt, also bitte!

„Angel-A“ ist, nach vielen Produktionen, Ihre erste Regie-Arbeit seit 1999. Hat Ihnen das Regieführen nicht gefehlt?

Nein, ich arbeite doch seit fünf Jahren mit 140 Computerfreaks an dem Animationsfilm „Arthur and the Minimoys“ – das ist ein Genre, in dem ich mich überhaupt nicht auskenne. Ich mag das: immer wieder bei null anfangen. So staubt man nicht ein.

Sie wollen jung bleiben, ist es das?

Nein, eher interessant, darum geht es mir. Ich habe keine Lust auf „Nikita 12“ oder „Léon 14“. Es stört mich nicht, wenn man meinen Film ablehnt, aber das Publikum soll nicht bereuen, drin gewesen zu sein. Es ist wie bei einem Rennen. Wenn ich Sechster werde, na und, dann gab es eben fünf bessere. Aber antreten sollte man nur, wenn man nachher ganz oben auf dem Treppchen stehen will.

Das Gespräch führte Jan Schulz-Ojala.

LUC BESSON , geb. 1959 in Paris, drehte seit Subway u.a. „Im Rausch der Tiefe“, den Welterfolg Das fünfte Element (1997) und „Johanna von Orleans“ mit Milla Jovovich.

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