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Kultur: Segeln durch die Welt

Ein Hundertwasser-Musical von Konstantin Wecker in Uelzen

Uelzen! Das muß in Niedersachsen liegen. Aber was soll man dort? Die Stadtwerbung behauptet, Uelzen verzaubere „mit seiner Lebendigkeit, seiner ausgeprägten kulturellen Infrastruktur und seiner Hanseatischen Tradition“, doch was heißt das? Lüneburg, gleich um die Ecke, das kennt und mag man. Aber Uelzen?

Uelzen hat einen Bahnhof. Der wurde während der Expo 2000 als dessen letztes Architekturprojekt vom Maler, Architekten und Aktionskünstler Friedensreich Hundertwasser geschaffen. Nun lockt er jährlich Hunderttausende von Touristen in die Stadt. Damit noch mehr kommen, hat der Direktor der Uelzener Versicherungen Sponsoren vorgeschlagen, „den wirtschaftlichen Standort Uelzen mit tatkräftiger Unterstützung kulturell zu beleben“ – mit einem Hundertwasser-Musical. Den Text steuerte der Bremer Autor Rolf Rettberg bei, die Musik lieferte der Münchner Sänger und Musiker Konstantin Wecker, und für die Regie fand sich der Regisseur und langjährige Intendant des Landestheaters Hannover, Gerhard Weber.

Vor das „Theater an der Ilmenau“, ein in den Sechzigerjahren an das Gymnasium als Aula mit 800 Plätzen angebautes, mittlerweile als Gastspielbühne dienendes Gebäude wurde ein Festzelt gestellt, und der eher trübsinnige Zuschauerraum wurde weitgehend verhängt. Nun strahlen von der Bühne, die Tina Kitzig nach Hundertwassers Spiralbildern gestaltet hat, dessen fluoreszierende, grelle Farben in ein Publikum, das trotz des tropischen Wetters am Tag der Uraufführung in schwarzer Abendgarderobe erschienen war. Kultur ist wenigstens in Uelzen noch ein gesellschaftliches Ereignis.

Hundertwasser, von Achim Conrad, der nach Ilja Richters Ausstieg während der Proben die Titelrolle übernahm, recht achtbar gesungen, besaß aber leider keinerlei Ausstrahlung, keine Aura. Uelzens Hundertwasser wirkte wie ein Versicherungsvertreter auf einem Kostümball. Da Autor Rettberg ihn in einem Stationendrama durch sein Leben und die Welt reisen läßt, findet die Inszenierung in Venedig und New York, Afrika und Neuseeland immer neuen Anlaß zu fantastischem Kostümtrubel.

Konstantin Wecker, der eine etwas spannungs- und weitgehend ohrwurmlose Musik beigesteuert hat, überzeugte dennoch durch die stilistische Vielfalt und Souveränität seiner Musik. Zudem beeindruckten die von einheimischen Laien gebildeten tanzenden Chöre mit musikalischer Sicherheit und munterem Bewegungsschwung, dem auch die reichlich einfallslose Armwedel-Choreografie nichts anhaben konnte.

Im Prolog und Epilog setzt sich Hundertwasser mit seiner Mutter und seinem Künstlerfreund Bro auseinander, dazwischen liegt der Rückblick auf 14 Lebensstationen. Im Wien von 1938 mäht ein Hakenkreuz Juden nieder, doch der junge Hundertwasser und seine Mutter entkommen. Dann: der wilde junge Künstler in Paris, der unbotmäßige Dozent in Hamburg, der Brennesselsuppenesser und der in Wien sein Manifest nackt verlesende Maler. Hundertwasser segelt mit seiner Lebensgefährtin auf der „Regentag“ durch die Welt, während sein Mr. Money Hundertwassers Kunst gezielt vermarktet. „Kunst und Kommerz, das Thema, das wir alle kennen, die Kommerzialisierung Hundertwassers zum Kunstgewerblichen, gegen die er sich nicht gewehrt hat“, steht für Konstantin Wecker im Mittelpunkt des Musicals. „Wenn er bei uns am Schluß sagt, ich will wieder mit dem Herzen malen und nicht mit dem Kopf, ist das Problem benannt.“

In Uelzen kommt Hundertwasser als ein naiver Mensch daher, aber er bleibt immer auch ein Fragender. Manchmal allerdings fragt er bei Rettberg in allzu kitschig verblasenen Sätzen. Und ob in Afrika oder in Amerika, Hundertwassers Credo, „Ich will die Welt nicht verändern, sondern nur verschönern“, wirkt vor dem jeweiligen gesellschaftlichen Hintergrund eher hilflos.

Insgesamt ist das Musical kein großer Wurf, aber zumindest doch ein unterhaltsames Werk. An der Tankstelle am Ortsausgang von Uelzen jedenfalls war es das Gesprächsthema.

Hartmut Krug

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