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SEHEN: Innensicht von außen

Erstaunlich eigentlich, dass das Theater diesen Stoff erst jetzt entdeckt: Da berichten uns seit Jahren sogenannte Experten des Alltags wie Lkw-Fahrer, Herzchirurgen oder Prostituierte auf der Bühne aus ihrem Job- und Lebensumfeld. Aber die „Expats“ – Fachkräfte, die von international operierenden Unternehmen vorübergehend ins Ausland geschickt werden beziehungsweise eigeninitiativ für ein paar (Berufs-)Jahre ihre Heimat verlassen und zum Beispiel eben hier in Berlin Station machen – stehen als Theaterthemen- Trend erst kurz vor dem Durchbruch.

Erstaunlich eigentlich, dass das Theater diesen Stoff erst jetzt entdeckt: Da berichten uns seit Jahren sogenannte Experten des Alltags wie Lkw-Fahrer, Herzchirurgen oder Prostituierte auf der Bühne aus ihrem Job- und Lebensumfeld. Aber die „Expats“ – Fachkräfte, die von international operierenden Unternehmen vorübergehend ins Ausland geschickt werden beziehungsweise eigeninitiativ für ein paar (Berufs-)Jahre ihre Heimat verlassen und zum Beispiel eben hier in Berlin Station machen – stehen als Theaterthemen- Trend erst kurz vor dem Durchbruch.

Dabei ist das Sujet für die Bühne geradezu ideal: Abgesehen vom Eintauchen in andere Lebenswelten dürften reflexionsfreudige einheimische Kulturkonsumenten auch selten die Möglichkeit bekommen, zugleich so viel über sich selbst und ihr Land zu erfahren wie durch diesen Spiegel der „Expats“, die ja gleichzeitig von außen wie von innen aufs angestammte System blicken. Da werden Verfremdungseffekte quasi im Selbstgang produziert!

Letzte Saison hatte bereits das Zürcher Neumarkt-Theater dieses Potenzial erkannt und die Regisseurin Barbara Weber in die „Expats“-Spur geschickt. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Neunzigminüter, der seine Kientel vor allem im Finanzsektor aufspürte und leider recht viele Klischeevorstellungen bestätigte, die wir uns vom gemeinen Banker-Pokerface schon immer gemacht haben.

Nun zieht das Berliner English Theatre mit einem „Expats“-Abend nach (24. bis 28.9., 20 Uhr). Und der verspricht tatsächlich äußerst spannend zu werden! Zum einen dürfte – von wegen Perspektivenreichtum und Klischeevermeidung – die Bandbreite der „Expats“ in Berlin vergleichsweise breit sein. Und zum Zweiten verfügt das English Theatre als englischsprachige Hauptstadtbühne natürlich über thematischen Experten-Status und sitzt sozusagen direkt an der Recherchequelle: Ein sechsköpfiges internationales Performer-Ensemble – jeweils verbunden mit einer spezifischen „Expats“- Gruppe – hat mehr als 60 ausführliche Interviews mit den entsprechenden Sachkundigen geführt und daraus unter der Regie von Daniel Brunet ein Dokumentarstück entwickelt, das banale Stereotypen versprochenermaßen aushebelt.

Der Titel des Abends – „Echter Berliner!!!! Ihr nicht, fuck you“ – ist dabei direkt der Berliner Alltagspoesie entnommen, die sich mit Vorliebe an Häuserwänden oder Klotüren Bahn bricht. Unter den vielen denkwürdigen „Willkommensgraffitis“ werfe dieses, so das Theater, schließlich gleich eine ganz philosophisch-existenzielle Frage auf: Was ist das eigentlich, ein „echter Berliner“?

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