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Kultur: Seine Uniform war abgenutzt

Verehrt, verklärt, verdammt: Das Deutsche Historische Museum würdigt Friedrich II.

Es beginnt mit dem Ende. Der abgedunkelte Raum ähnelt einer Gruft. Unter Glas, feierlich illuminiert, liegt das Sterbehemd, mit Blutflecken am rechten Ärmel. Daneben steht die Totenmaske Friedrichs II. Sie zeigt das kahlköpfige Gesicht eines knochigen Greises. Der Kopf ist zurückgebogen, er wirkt versonnen und scheint zu lauschen. Dazu erklingt Flötenmusik, das Andante aus der Sinfonie in D-Dur, vom König komponiert. Er starb am 17. August 1786 mit 74 Jahren in einem Sessel im Schloss Sanssouci. Hustenattacken, unterbrochen von lautem Röcheln – so berichtete der Leibarzt – hatten zuletzt mit Ohnmachtszuständen gewechselt.

Die Rekapitulation dieses Todes ist die stärkste Inszenierung in der Ausstellung „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt“, mit der sich das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin am Gedenk-Marathon zum 300. Geburtstag des preußischen Herrschers beteiligt. Es geht nicht um Friedrichs Biografie und seine Leistungen, sondern um sein Nachleben, das immer wieder andere Bild, das sich die Deutschen von ihm gemacht haben. Das Jubiläum wird mit etlichen Ausstellungen gefeiert, die allergrößte beginnt Ende April im Neuen Palais in Potsdam, und die Flut der Neuveröffentlichungen auf dem Buchmarkt ist kaum zu überschauen. Dieser Aufwand steht in auffallendem Kontrast zu der Ruhe, die in den letzten Jahren beim Thema Preußen eingekehrt war.

Denn umstritten ist Friedrich nicht mehr. Die hitzigen Debatten darüber, wie militaristisch oder „reaktionär“ sein Staat gewesen sei, liegen lange zurück. Noch zur großen Preußen-Ausstellung, die 1981 im (West-)Berliner Gropius-Bau gezeigt wurde, war vor einer Wiederbelebung des „preußischen Geistes“ gewarnt worden. Selbst die DDR versöhnte sich in ihrer Spätphase mit dem König, betonte die „fortschrittlichen“ Momente der friderizianischen Politik und holte sein Reiterstandbild aus Potsdam zurück an den alten Standort Unter den Linden. Heute gilt Friedrich als vielleicht ein wenig zwiespältige, aber vielfach interessante Figur. Ein Reformer im Namen der Vernunft und Feldherr mit Neigung zum Harakiri, der im Privatleben absonderlich war.

DHM-Direktor Alexander Koch spricht von einer „multiperspektivischen Darstellung“, mit der sein Haus auf eine „pluralistische Gesellschaft“ reagiere, „bis hin zu Mitgliedern dieser Gesellschaft, denen Friedrich egal ist“. Umfangreich ist die Ausstellung tatsächlich, sie versammelt 450 Exponate auf 1100 Quadratmetern. Endlich einmal fand das Museum, wie Kuratorin Leonore Koschnick sagt, eine Gelegenheit, die zahlreichen Friedrich-Erinnerungsstücke und Devotionalien aus seiner Sammlung auszubreiten. Was der Schau fehlt, ist eine eigene Haltung zu ihrem Gegenstand. Sie verliert sich – wie schon manche Unternehmung von Kochs Vorgänger Hanns Ottomeyer – im enzyklopädisch ausgreifenden Material und vermeidet jede thesenhafte Zuspitzung. Eine Bewertung geben die Ausstellungsmacher aber doch ab: Sie nennen Friedrich den „Großen“.

Groß ist Friedrich als Stifter von Mythen. Schon zu Lebzeiten, vor allem aber nach seinem Tod wurden Geschichten aus seinem Leben kolportiert, die Historikerin Ute Frevert schreibt von „tausenden“ Anekdoten über ihn. Das Museum präsentiert derlei Anekdoten in Kupferstichen, die bis ins Jenseits reichen: „Friedrich hindert General Zieten daran, in seiner Gegenwart aufzustehen“, „Dem König fällt eine Flintenkugel aus dem Überrock nach der Bataille bey Torgau“, „Friedrichs Ankunft im Eliseum“. Dabei war Friedrich keineswegs volkstümlich. Er sprach am liebsten Französisch und verabscheute das Deutsch seiner Untertanen.

Meist tritt uns der Hohenzoller als „Alter Fritz“ mit gebeugtem Rücken, in abgetragener Uniform und Dreispitz entgegen, ein Sparsamkeit und Güte ausstrahlender Herrscher. Interessant ist es zu sehen, wie dieses Bild, wohl aktiv gesteuert von Friedrich selbst, entstanden ist. Aus einer Parade von Porträts sticht ein intimes Bildnis von Johann Georg Ziesenis heraus, entstanden 1763/64, nach dem Siebenjährigen Krieg. Friedrichs Gesichtshaut wirkt rosig, nur auf der Stirn und um die Augen zeigen sich Falten. Doch aus derselben Zeit stammt auch ein offiziöses, großformatiges Gemälde von Heinrich Franke, bei dem ein hohlwangiger Fritz mit zum Gruß erhobenen Hut aus schwarzem Hintergrund tritt. Ebenfalls zu sehen ist eine ähnlich anmutende, lebensgroße Wachsfigur, wie Schausteller sie auf Jahrmärkten vorführten.

Nach der Niederlage der preußischen Armee gegen Napoleon 1806 rückte die Erinnerung an Friedrich wieder in den Hintergrund. Zum Volkshelden machte ihn erst die „Geschichte Friedrichs des Großen“ des Kunsthistorikers Franz Kugler, die 1840 zum hundertsten Jahrestag der Thronbesteigung herauskam. Das Hausbuch mit den virtuosen Illustrationen von Adolph Menzel ist bis heute lieferbar. Wesentlich pompöser fielen die Denkmäler für den König aus: ein Standbild von Schadow in Stettin, Rauchs Reiterfigur in Berlin, eine klassizistische Tempelanlage als Entwurf von Leo von Klenze.

Nicht vorgestellt wird seltsamerweise die Friedrich-Architekturfantasie von Friedrich Gilly. Die Weihestätte im Stil der französischen Revolutionsarchitektur beeindruckte Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer. Im „Führerbunker“ hing ein Friedrich-Porträt, spätestens hier bekam die Verehrung des preußischen Kriegertums einen Drall ins Düster-Morbide.

Doch schon in der Weimarer Republik war Friedrich II. neben Bismarck zur nationalen Ikone einer vermeintlich glanzvollen Vergangenheit stilisiert worden. Die rechte Deutsche Volkspartei („Rettet Preußen!“) warb genauso mit ihm wie die liberale Deutsche Staatspartei („Ich bin es müde, über Sklaven zu herrschen“). Ab 1920 trat der Schauspieler Otto Gebühr als Friedrich der Große in Ufa-Filmen auf, der am Ende Durchhalteparolen verbreitend. Die Werbung für Veit Harlans Film „Der große König“ hängt unweit eines Plakates, auf dem ein Sowjet-Panzer über die Berliner Siegesallee rollt und Friedrich vom Sockel stößt.

Bis 29.7., tgl. 10-18 Uhr, Katalog 24 €. Mehr zur Ausstellung im DHM finden Sie heute in unserer Beilage.

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