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Kultur: Sekt für die Massen

OPER

Liegt die Zukunft der angeschlagenen Berliner Opernwelt im Tempodrom ? Mit Giuseppe Verdis Dauerbrenner „Nabucco“ , einer Produktion der Loreley-Festspiele mit Chor und Orchester unter der Leitung von Helge Dorsch, zeigen die Produzenten der „Loreley Klassik GmbH“ jedenfalls, dass in der opernmüden Hauptstadt doch noch Publikum zu gewinnen ist: Gut 2000 Leute lassen sich für so ein Event mobilisieren. Ganze Familien sind angereist samt Oma im Rollstuhl. Alle, die sich in den Hochkulturtempeln unwohl fühlen, scheinen sich hier auf den Rängen zu rekeln: Der Sekt im Plastikglas darf auf die Plätze mitgenommen werden. Ein Hauch von Volksfest weht durch das Riesenrund der Halle.

Zu sehen ist eine Inszenierung von Günther Roth, die auch ein Musiktheater-Publikum der Fünzigerjahre goutiert hätte. Babylonier und Israeliten sehen aus, wie wir sie uns immer vorgestellt haben. Über schwache Sängerstimmen kann man sich nicht beklagen: Sie werden sicherheitshalber per Mikrofon verstärkt und in den Soundbrei des Orchesters der Loreley-Festspiele hineingemischt. Gesangliche oder gar szenische Unmittelbarkeit gibt es da natürlich nicht. Der Riesenabstand zur Bühne und die flachen szenischen Arrangements machen die Veranstaltung zu einer Art kollektivem Fernsehereignis. Andererseits: Warum nicht mit 2000 Leuten gemeinsam fernsehen? „Ick fand’s jut!“ sagt ein Mann im anhaltenden Applaus. „Das war Scheiße für viel Geld.“ findet dagegen eine junge Frau am Ausgang. Die Zukunft der Berliner Opernlandschaft liegt hoffentlich nicht im Tempodrom, vielleicht aber in dem Zwang, über Publikum neu nachzudenken.

Joscha Schaback

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