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Kultur: Selbstmordkandidat Deutsche Oper

Schleichend, erklärt der Chefdramaturg der Deutschen Oper Berlin, Curt A.Roesler, habe das Musiktheater in der Bismarckstraße in den letzten Jahren sein Erscheinungsbild modernisiert.

Schleichend, erklärt der Chefdramaturg der Deutschen Oper Berlin, Curt A.Roesler, habe das Musiktheater in der Bismarckstraße in den letzten Jahren sein Erscheinungsbild modernisiert.Nach Plakaten, Eintrittskarten und Programmheften war nun die Publikumszeitschrift an der Reihe: Jetzt heißt das alte "Oper Aktuell" also "OpernZeit", erscheint nur noch im Zwei-Monats- Rhythmus und wird von einer neuen Werbeagentur betreut.Das ist dann aber auch schon so ziemlich alles, was von der Forderung übriggeblieben ist, die Deutsche Oper müsse endlich begreifen, daß auch Staatstheater schon nicht mehr ohne professionelles Marketing und zielgruppenorientierte Öffentlichkeitsarbeit auskommen können.Zumal, wenn ihr Image durch einen Defizit-Skandal angeschlagen ist.Chefdramaturg Roesler jedoch verweist nur müde auf die 140 Stellen, die an der Bismarckstraße zur Haushaltskonsolidierung abgebaut werden sollen.Auf zwei weitere Bühnenarbeiter zu verzichten, um einen Public-Relations-Profi bezahlen zu können, lehnt er ab.

Ebensowenig will er von dem Argument wissen, wer langfristig den Umsatz steigern wolle, müsse erst einmal investieren - irgendwie werde man es durch Umschichtung vorhandener Planstellen innerhalb des Hauses schon schaffen, etwas auf dem Gebiet Marketing auf die Beine zu stellen.Kleckern statt klotzen, lautet weiterin die Marschrichtung in der Deutschen Oper, obwohl sich der Wirbel um die Schulden deutlich an der Billettkasse bemerkbar macht - "wie bei einem Wirtschaftsunternehmen, dem es schlecht geht", analysiert Roesler, "da sagen sich die Leute: Bei dem kaufe ich nicht".Während die Staatsoper Unter den Linden zur allgemeinen Überraschung sogar bei moderner Oper rappelvoll ist, gähnen im Parkett und den Rängen der Deutschen Oper noch größere Löcher als gewohnt.

Doch von "vertrauensbildenden" Werbemaßnahmen, gar von einer "Hurra, wir leben noch"-Imagekampagne oder spektakulären, öffentlichkeitswirksamen Aktionen redet an der Bismarckstraße keiner.Statt dessen wird die Preisstruktur nach oben und das Angebot für Schlechterverdienende nach unten korrigiert - und zwar nach Art des Hauses: schleichend.Akzeptabel erscheint die Idee, die Anzahl der Plätze in den oberen Preisgruppen zu vergrößern.Auch der Plan, mehr Vorstellungen als bisher in die Hochpreis-Kategorien "C" und "Sonderpreise" einzustufen, erscheint in der derzeitigen Lage plausibel.Die Tatsache aber, daß Schüler, Studenten und sonstige "Ermäßigungsberechtigte" nur noch 25 Prozent statt 50 Prozent Preisnachlaß erhalten, und die angekündigte Abschaffung des Prinzips, am Tag der Vorstellung an jeden Besucher "last minute tickets" zum halben Preis abzugeben, trifft genau die Zielgruppen, die Götz Friedrichs "Bürgeroper" eigentlich besonders lieb und teuer sein müßten.

Statt dessen ist man bereit, weitere Zuschauer zu opfern, wenn nur irgendwie mehr Geld in die Kasse kommt."Früher waren wir auch der Meinung, es sei wichtiger, daß der Saal voll ist, auch wenn durch die Ermäßigungen die Einnahmen schrumpften", erklärt Roesler."Jetzt aber drängt uns die Politik, mit allen Mitteln unsere Einnahmen zu steigern." Also setzt man auf weniger Besucher, die dafür größere Summen in der Bismarckstraße lassen.Wie gut, daß die Deutsche Oper keinen Marketingfachmann beschäftigt.Der hätte vermutlich schon wieder frustriert seine Kündigung eingereicht: Denn in der jetzigen Situation nicht alles dafür zu tun, notfalls sogar auf eine Premiere zu verzichten, um die schleichenden Publikumsabwanderungen aufzuhalten, ist schlicht selbstmörderisch.So aber kann nur noch der Unterausschuß Theater, der heute abschließend über Friedrichs Konzept zur Haushaltskonsolidierung berät, durch unmißverständliche Forderungen Schlimmstes verhindern: den schleichenden Selbstmord der Deutschen Oper.

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