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Kultur: Selfmademan der Gründerzeit Architekturausstellung über Eduard Knoblauch

Selbst glühende Verehrer von Altbauwohnungen werden beim Berliner Zimmer skeptisch. Die Verbindung zwischen Vorderhaus und Seitenflügel ist die architektonische Achillesferse der Berliner Gründerzeitpracht: ein schlecht belichteter, oft unschön geschnittener Durchgangsraum.

Selbst glühende Verehrer von Altbauwohnungen werden beim Berliner Zimmer skeptisch. Die Verbindung zwischen Vorderhaus und Seitenflügel ist die architektonische Achillesferse der Berliner Gründerzeitpracht: ein schlecht belichteter, oft unschön geschnittener Durchgangsraum. Und dennoch waren Berliner Zimmer vor 150 Jahren eine Innovation, dank derer selbst schmale, tiefe Grundstücke mit Vorderhaus, zwei Seitenflügeln und dem euphemistisch Gartenhaus genannten Querflügel bebaut werden konnten. So entstanden Mietshäuser für bescheidenes bis gehobenes Bürgertum, von der Stange zwar, doch nicht zu verwechseln mit den berüchtigten Mietskasernen des Proletariats.

Der Berliner Architekt Carl Heinrich Eduard Knoblauch hat das Berliner Zimmer nicht erfunden, aber wesentlich dazu beigetragen, es durchzusetzen. Sein 1846/47 errichtetes, nicht mehr erhaltenes Wohnhaus in der Oranienstraße wurde zum Prototyp des bürgerlichen Berliner Mietshauses. Es steht am Beginn der größten urbanen Expansion, die die Stadt erlebt hat. Klassizismus für alle. Knoblauch war, so ein Zeitgenosse, „der Mann, der auf diesem Gebiet die Mission des Schinkel’schen Genius weiterführen konnte“. Über ein halbes Jahrhundert blieben seine Entwurfsstandards und Mustergrundrisse im schon damals architektonisch konservativen Berlin verbindlich. Stadtteile wie Kreuzberg, Moabit, Schöneberg sähen ohne ihn heute anders aus.

Eine sehenswerte Ausstellung des Architekturmuseums der Technischen Universität und ein vorbildliches Buch der Architekturhistorikerin Azra Charbonnier machen nun – endlich – mit Eduard Knoblauch bekannt. Als Sohn einer Kaufmannsfamilie 1801 im bis heute erhaltenen Familienhaus im Nikolaiviertel geboren, gehörte er zur ersten Generation der Schinkelschüler. Anders als Ludwig Persius und Friedrich August Stüler strebte Knoblauch allerdings keine gesicherte Karriere im Staatsdienst, keinen Ehrentitel als „Architekt des Königs“ an, sondern wurde einer der ersten Privatarchitekten Berlins. Volles Risiko. Ein Selfmademan.

Knoblauchs professionelles Selbstbewusstsein hatte berufsständische Folgen: 1824 ging von ihm die Gründung des Architekten- und Ingenieur-Vereins aus, der sich bis heute um die hauptstädtische Baukultur verdient macht. Von Knoblauchs Bauten überdauerten dagegen nur wenige, darunter – Ironie des Schicksals – zwei Gebäude für die Jüdische Gemeinde: das Jüdische Krankenhaus in der Auguststraße und die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße, diese allerdings seit der „Reichskristallnacht“ teilzerstört. Durch den Synagogenbau wurde der Nichtjude Knoblauch am Ende seines Lebens auch überregional bekannt.

Eduard Knoblauch entwarf eine intellektuelle, formal oft spröde Architektur an der Schwelle zwischen Klassizismus und Historismus. Die kunsthistorische Forschung hat sich lange kaum dafür interessiert. Azra Charbonnier inventarisierte nun aus dem Nachlass die 700 Zeichnungen „ihres“ Helden. Baukunst für Bürger: mehr als nur Berliner Zimmer. Michael Zajonz

Architekturmuseum der TU, Straße des 17. Juni 150, bis 29. 2., Mo–Do 12–16 Uhr. Azra Charbonnier, Carl Heinrich Eduard Knoblauch. Architekt des Bürgertums, Deutscher Kunstverlag 2007, 98 €.

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