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Kultur: Selten gespielte Werke des Jubilars im Konzerthaus

Ein Sinn der Konzerte zum Kurt-Weill-Centennium liegt wohl darin, Ansätze populär-anspruchsvollen Komponierens, wie sie für Weills "Broadywood"-Zeit maßgeblich sind, in den Berliner Instrumentalwerken aufzuzeigen. Beiträge zweier Berliner Spezial-Ensembles zum Weill-Gedenken im Konzerthaus widmeten sich darüber hinaus der Plazierung der Werke des Jubilars innerhalb eines übermusikalischen Kontextes.

Ein Sinn der Konzerte zum Kurt-Weill-Centennium liegt wohl darin, Ansätze populär-anspruchsvollen Komponierens, wie sie für Weills "Broadywood"-Zeit maßgeblich sind, in den Berliner Instrumentalwerken aufzuzeigen. Beiträge zweier Berliner Spezial-Ensembles zum Weill-Gedenken im Konzerthaus widmeten sich darüber hinaus der Plazierung der Werke des Jubilars innerhalb eines übermusikalischen Kontextes. Am Freitag brachte das Ars-Nova-Ensemble unter Peter Schwarz ein anspruchsvolles Chorwerk Weills in Zusammenhang mit anderen Werken religiöser Identitätsfindung und Brechtscher Textvertonung Schönbergs, Paul Dessaus, Hanns Eislers und des "Außenseiters" Heinrich Kaminski. Weills "Recordare op. 11" entstand am Ende seiner Lehrzeit bei Busoni. Das Ars-Nova-Ensemble verdeutlichte mit seiner genauen Wiedergabe Weills angeborene Begabung, dramatische Texte - hier das fünfte Klagelied des Jeremias in der lateinischen Version - adäquat auszudeuten. Wie platt wirkte dagegen Eissler / Brechts "Gegen den Krieg": Agitatorische Chorvariationen, deren Sprödigkeit auch die 14 Sänger unter Peter Schwarz nicht aufweichen konnten. Hier war nachzuempfinden, weshalb Weill die erfolgreiche Kooperation mit Brecht aufgeben mußte, um nicht seine Musik zum Gefangenen des "übergeordneten" Systems "BB" zu machen. Viel ironisch-frischer der dritte und späte Kompagnion Brechts, Paul Dessau, allerdings mit einem nicht-Brechtschen Werk vertreten: "Vier achtstimmige Chöre" nach Briefen der van-Gogh-Brüder. Die spirituelle Klammer bildeten Kaminskis "Messe Deutsch", ein depressives Beipiel innerer Emigration, und Schönbergs letztes vollendetes Werk "De Profundis", den 130. Psalm.

Gerade diesem Satz des beinahe zum Lehrer Weills gewordenen Schönberg verlieh das Ars-Nova-Ensemble eine solche Tiefe, dass seine Einsamkeit als emigrierter Musikrevolutionär spürbar wurde. Lebenslustiger gestaltete sich das Konzert der "Kammersymphonie Berlin", die auf die Musik der ersten Hälfte des alten Jahrhunderts fokussiert. Unter ihrem allzeit zu Höchstleistungen anspornenden Dirigenten Jürgen Bruns trug sie dazu bei, dass Weill auch als Vertreter einer symphonischen Tradition anerkannt wird. Die in Weills kurzer Pariser Zeit vollendete Zweite Sinfonie ist ein Exemplar "absoluter Musik", voller prägnanter Themen und bohrender Rhythmik, in seiner kompositorischen Verarbeitung den katastrophalen Brüchen seiner Entstehungszeit angemessen. Einer, der noch vor Weill die Unterscheidung zwischen "leichter" und "ernster" Musik ignorierte, war Darius Milhaud. Mit ironisierenden Spaß spielte die Kammersymphonie seine Ballet-Musik "La Création du Monde".

Volker Michael

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