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Kultur: Seniorentheater: Die ergrauten Stars schießen auf der Bühne scharf

Ausgelassene Stimmung und fetzige Akkordeonklänge - beschwingt ging der Auftakt des ersten internationalen Altentheaterfestivals über die Bühne. Enthusiastisch wurde jeder Eröffnungsredner im Saalbau beklatscht, vor allem als Bezirksbürgermeister Bodo Manegold (CDU) Werbung in eigener Sache betrieb.

Ausgelassene Stimmung und fetzige Akkordeonklänge - beschwingt ging der Auftakt des ersten internationalen Altentheaterfestivals über die Bühne. Enthusiastisch wurde jeder Eröffnungsredner im Saalbau beklatscht, vor allem als Bezirksbürgermeister Bodo Manegold (CDU) Werbung in eigener Sache betrieb. Sein humoriger Auftritt kam an: "Das ist ja auch ein Schauspieler", raunten sie im Publikum. Gleich danach zeigte die erste Premiere, wie die "Grauen Stars über Berlin" - so heißt das Festival - noch bis morgen beweisen wollen, dass man auch im Rentenalter das Genre beherrschen kann. In "Unterwegs" agierten junge und alte Spielerinnen gemeinsam und brachten das letzte Jahrhundert deutscher Geschichte im Zeitraffer auf die Bühne.

Das Altentheater ist in Berlin gut organisiert: Über 40 Senioren spielen regelmäßig in fünf festen Gruppen. Der Schöneberger Verein "Theater der Erfahrungen" dient seit über zwanzig Jahren als Treffpunkt. Mit viel Improvisation und Engagement entwickelten die Laienschauspieler zahlreiche Produktionen. Allein der Name ist Programm: Sie nennen sich "Spätzünder", "Graue Zellen" oder "Ostschwung", bringen ihre eigene Vergangenheit auf die Bühne oder rechnen als Kabarett mit politischen Fehlschlägen ab. Theater dient ihnen als Organ, um Kritik zu äußern. "Dennoch wird das Altentheater oft nicht ernst genommen", sagt Ursula Kohler, die Pressesprecherin des Vereins. "Obwohl das darstellerische Niveau hoch ist, denken viele Leute an ein Kaffeekränzchen." Mittlerweile aber würden ältere Laienschauspieler eine ernstzunehmende Form des Volkstheaters verkörpern.

Hanna Wildenhain und den "Spätzündern" geht es so um gesellschaftspolitische Themen. "Wir wollen an unserer Vergangenheit auch jüngere Menschen teilhaben lassen", sagt sie. "Mein Leben hat mit den vielen Tourneen durch Deutschland neuen Schwung bekommen." Vor allem das Gefühl, ein Team und nicht den einzelnen in den Vordergrund zu rücken sei schon toll, sagt sie. Auf der Bühne schießen sie dann gemeinsam scharf: Mit ihrem neuen Stück "Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause" parodieren sie die Rentenproblematik.

Theatergruppen aus acht Ländern bringen bis Sonntag hochkarätige Produktionen auf die Bühne. Die Taiwanesen "Uhan Shii" stellen das Leben der Hakanese dar, einer in Asien diskriminierten Minderheit. Bei den "Flores de Otono" - den Herbstblumen aus Kolumbien - geht es mit viel Musik und Tanz zur Sache. Sie spielen den Aufstand alter Frauen gegen eine drakonische Altenpflegerin. Die Chiezedas aus Simbabwe bleiben der Tradition treu: Sie stellen ein Mädchen dar, das von Geistern besessen ist. In mehreren Workshops und Diskussionsrunden will man auch mit den Neuköllnern ins Gespräch kommen.

Henning Kraudzun

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