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SEO: Krieg in Blau

Neue Bilder der koreanischen Künstlerin SEO: Vertraut sind einem bloß die bunten Fetzen aus Reispapier, die an vielen Stellen die Funktion der Farbe übernehmen.

Es brennt auf den Bildern von SEO. Nicht nur dort, wo die Künstlerin malend den „Verlust der Unschuld“ (2010) beklagt und einen Feuerball aus der trockenen Erde schießen lässt. Auch den Boat People auf dem Gemälde „Grausame Zukunft“ wird niemand mehr helfen, und der Tanz der Kindersoldaten um einen Berg aus Gewehren scheint der Auftakt einer infernalischen Attacke.

Mit den friedlichen Blumenfriesen, um die sich in den vergangenen Jahren ebenso das New Yorker Museum of Modern Art wie zahlreiche Privatsammler rissen, ist es in ihrer jüngsten Einzelausstellung „Without Words“ vorbei. Die zwölf quadratischen Großformate (Preise auf Anfrage) der ehemaligen Meisterschülerin von Georg Baselitz prangern den Krieg und die globalen Auseinandersetzungen scharf an. Steine werfende Kinder stehen vor einem Panzer, ein Turnschuh baumelt im Stacheldraht, ein Soldat kniet vor dem Grab eines Kameraden.

Vertraut sind einem bloß die bunten Fetzen aus Reispapier, die im Werk von SEO an vielen Stellen die Funktion der Farbe übernehmen. Und vertraut ist auch die Farbwahl. SEO, die 1977 in Gwangiu geboren wurde und nach einem Studium am dortigen Kunstgymnasium von Südkorea nach Berlin zog, schildert die Schreckensmomente in prächtigem Blau, leuchtendem Rot und sattem Gelb. So viel Ästhetik überzeichnet das menschliche Leid zu grotesken Emblemen und lässt die Motive wie aufgepumpte Devotionalienbilder wirken. Man fühlt sich angezogen und abgestoßen, schaut fasziniert auf die zarten Strukturen der Papierstreifen, die sich zu Tausenden überlagern und abstrakte Collagen bilden. Dann aber schiebt sich erneut die komplette Szene in den Blick: Flucht, Gewalt, Marter und Verletzungen in einer Dosis, die klar macht, was SEO antreibt: „Das Wesen der Dinge abzubilden und nicht das Augenscheinliche“.

Ihre Gemälde sind Konzentrate und die Basis der Sujets mediale Bilder, die symbolisch zeigen, was Minderheiten oder Völkern geschieht, die zwischen kriegerische Fronten geraten. Dass die erfolgreiche Malerin sich moralisch empört und ihr eigenes Medium nutzt, um diesen Themen Gestalt zu verleihen, ist ehrbar, denn sie fehlen in den theoretisch ausgerichteten Konzepten vieler Kollegen. Doch die gnadenlose Konfrontation hat auch etwas von einer Überdosis und führt das Dilemma politisch konnotierter Kunst anschaulich vor: Weniger würde effektlos verpuffen. Die drastische Demonstration aber hinterlässt den Eindruck von Plakativität. Und ein Unwohlsein, das SEO sicher gefällt. Galerie Michael Schulz, Mommsenstr. 34; bis 13. November, Di-Fr 11-19 Uhr, Sa 10-14 Uhr.

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