zum Hauptinhalt

Serie "Spreelectro": Neue Pop-Tipps aus Berlin

Der DJ und Musikjournalist Martin Böttcher gibt auf Tagesspiegel.de Pop-Tipps. Für unsere Serie "Spreelectro" hat er sich inzwischen auf Berlin spezialisiert und empfiehlt Gutes aus der Hauptstadt.

Alex Banks – Illuminate (Monkeytown Records)

Ich weiß so gut wie nichts darüber, wie man ein Plattenlabel gründet und dann am Leben erhält. Woher auch? Aber wenn ich ein eigenes Label hätte, dann sollte es bitteschön so sein wie Monkeytown Records. Monkeytown ist das Label von Gernot Bronsert und Sebastian Szary, die die Welt als Modeselektor kennt. Das Berliner Ausnahme-Duo macht nicht nur selbst Musik, die sich immer ein bisschen nach morgen anhört, sondern versammelt auf seinem Label Musiker, die der elektronischen Musik tatsächlich noch neue Facetten hinzufügen können.

Nehmen wir nur Alex Banks, ein bislang eher unbekannter Produzent aus Brighton: klassisch ausgebildet, kombiniert er vertrackte Bass- und Melodieläufe so, dass dabei hochdramatische und eindringliche Tracks entstehen. In einigen dieser Tracks arbeitet Banks mit einer Sängerin zusammen, die ordentlich Trip-Hop-Feeling ausstrahlt – Portishead 3.0 will ich das mal nennen. Aber der Rest dieser Platte geht in ganz andere, immer wieder verrückte Haken schlagende Richtungen. Kein Wunder, dass Monkeytown den Mr. Banks länger an sich binden will. 

Dillon – The Unknown (Bpitch Control)

Früher, als Modeselektor noch kein eigenes Label hatten, kamen ihre Platten bei Bpitch Control heraus, dem Plattenlabel von Ellen Allien. Bpitch prägte eine Zeit lang wie keine andere Plattenfirma den „Sound of Berlin“, vereinte Sperriges, Poppiges, Technoides, Elektronisches und Gefrickeltes unter einem Dach, auch Paul Kalkbrenner begann hier seine Karriere. Mit der Herrlichkeit ist es schon länger vorbei, Bpitch ist mittlerweile eines unter vielen Berliner Labels. Jetzt aber ist dort mit „The Unknwon“ wirklich tolle Platte erschienen. Gemacht hat sie Dillon, eine aus Brasilien stammende Wahlberlinerin. Ihr Klavier und ihre Stimme hätten wahrscheinlich ausgereicht, um eine ordentliche Platte hinzubekommen. Netterweise packt sie auch noch Beats und Effekte und ordentlich Elektronisches obendrauf – Singer-Songwriter-Attitüde plus Club-Nachbeben sorgt, wie man so unschön sagt, für ein Klangerlebnis der Extraklasse.

V.A. Too Slow To Disco (City Slang)

Marcus Liesenfeld beackert als DJ Supermarkt ein Feld, das man lange Zeit gar nicht beackern durfte: Soft-Rock, West-Coast-Pop, AOR („Adult Oriented Rock“) – weichgespülte 70er-Jahre-Musik, deren bekannteste Interpreten Fleetwood Mac und die Eagles waren. Die kaum bekannten Songs auf dem Sampler „Too Slow To Disco“ aber zeigen, wie blöde ein von der Geschmackspolizei verhängtes Hörverbot sein kann, hier finden sich nämlich richtig gute, in den besten Studios und von extrem versierten Studiomusikern eingespielte Lieder. Noch nicht ganz Disco, aber mit echtem Groove. Natürlich gar nicht elektronisch, aber genau das Richtige für die Zeit NACH dem Club – also für die Augenblicke, in denen man eine Bassdrum einfach nicht mehr ertragen kann.

Martin Böttcher, Berliner DJ und Musikjournalist.
Martin Böttcher, Berliner DJ und Musikjournalist.

© Frauke Fischer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false