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Kultur: Shakesbier

Marius Meller träumt am Welttag des Buches von einem Bayreuther Trinker Wer kann eigentlich noch die Festtage des Kirchenjahres auswendig? Ostern und Weihnachten kennt man ja noch.

Marius Meller träumt am Welttag des Buches von einem Bayreuther Trinker

Wer kann eigentlich noch die Festtage des Kirchenjahres auswendig? Ostern und Weihnachten kennt man ja noch. Aber Mariä Lichtmess und Trinitatis? Früher gliederten die kirchlichen Feiertage und die Namenstage der Heiligen die Zeit der Menschen. Heute ist die Zeit weltlich geworden und der Kalender eine bloße Zähltechnik. Wir können also froh sein, dass die Unesco und andere säkulare Institutionen uns allmählich ein weltliches Kirchenjahr zusammenstellen. Dessen Feiertage gedenken benachteiligter Bevölkerungsgruppen (FrauenTag, Tag des Kindes), benachteiligter Naturphänomene (Tag der Bachstelze) oder benachteiligter Kulturgüter (Tag des Buches).

Heute feiern wir also den Welttag des Buches. Und man muss schon sagen, dass die Unesco mit der Wahl gerade dieses Datums besonders glückliche Hand bewiesen hat. Denn der 23. April ist der Namenstag des Heiligen Georg. Und da schenkt man sich im spanischen Katalonien nach alter Tradition – Bücher. Außerdem starb am 23. April 1616 nicht nur der berühmteste spanische Schriftsteller, Cervantes, sondern auch Shakespeare, der berühmteste aller britischen Dichter, der zudem noch an einem 23. April – im Jahre 1564 – geboren wurde. Spanisch und Englisch sind die meistverbreiteten Weltsprachen, und so können viele Erdenbürger dieser literarischen Heiligen sogar in ihrem Idiom huldigen.

Diese raffinierte Konstruktion dachte sich eine Unesco-Kommission Ende 1995 aus, und so feiern wir nun schon zum neunten Mal den Weltbuchtag. Allerdings kam ihr in Deutschland bei der Datumsbesetzung eine Institution zuvor: Das Kirchenjahr der Weltlichkeit sollte am 23. April den „Tag des deutschen Bieres“ feiern, so wollte es der Deutsche Brauerbund. Denn am 23.4.1516 erließ der bayerische Herzog Wilhelm IV. das berühmte „Reinheitsgebot“. Heute wird der Bier-Tag zum zehnten Mal gefeiert, mit „bierigen Veranstaltungen“ und „Brau-Schauen“ in der ganzen Republik.

Die Eingliederung des deutschen Bier-Tages in den Weltkalender der Unesco, gar die offizielle Zusammenlegung mit dem Buch-Tag – das ist allerdings unwahrscheinlich. International würde der Jahrestag eines „deutschen Reinheitsgebots“ wohl üble Assoziationen auslösen, auch wenn es nur um ein harmloses Gebräu geht. Außerdem handelt es sich beim Bier kaum um ein benachteiligtes Kulturgut, sondern um eine beliebte Soft-Droge.

Aber auf nationaler Ebene wäre da noch einiges herauszuholen: Der deutsche Schriftsteller Jean Paul wäre der ideale Bier-Heilige, war ihm der Gerstensaft doch viel besungener „Seelentrunk“ und „Magenbalsam“, wichtigste Stimulation seines Schaffens. Allen deutschen Bier- und Buchfreunden sei deshalb an diesem 23. April die hübsche kleine Anthologie im Hannoverschen Werhahn Verlag mit Texten des heiligen Biertrinkers aus Bayreuth empfohlen: „Bier, Bier, Bier, wie es auch komme. Jean Paul und das Bier“.

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