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Kultur: SHORT CUTS

FORUM Angst in den Knochen: „Atos dos Homens“ aus Brasilien Viele Orte in der Peripherie von Rio de Janeiro, der so genannten Baixada Fluminense, sind in der Hand irregulärer Ordnungsmilizen, die sich aus regulären Militärpolizisten rekrutieren und oft auch unter dem Schutz der Verwaltung operieren. Immer wieder verüben diese Todesschwadronen Massaker an schutzlosen Einwohnern.

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Angst in den Knochen:

„Atos dos Homens“ aus Brasilien

Viele Orte in der Peripherie von Rio de Janeiro, der so genannten Baixada Fluminense, sind in der Hand irregulärer Ordnungsmilizen, die sich aus regulären Militärpolizisten rekrutieren und oft auch unter dem Schutz der Verwaltung operieren. Immer wieder verüben diese Todesschwadronen Massaker an schutzlosen Einwohnern. Der Filmemacher Kiko Goifman wollte den Überlebenden solcher Übergriffe einen Film widmen. Doch während der Dreharbeiten erreichte die Gewalt in der Region eine neue schreckliche Dimension: 29 Menschen starben, als am 31. März 2005 am helllichten Tag ein betrunkenes Vernichtungskommando durch eine Hauptstraße zog. Die Opfer waren zufällig am falschen Ort. Die Täter wollten sich offensichtlich für Strafmaßnahmen an Bandenmitgliedern rächen.

Aus Goifmans allgemein angelegtem Projekt wurde so eine aktuelle Geschichte. Man sieht das: Vielen stecken die Ereignisse noch in den Knochen. Einige der Überlebenden wollen aus Angst vor Rache nicht vor der Kamera sprechen. Goifman hat über ihre Berichte ein weißes Bild gelegt, genauso wie über die Aussage eines Killers, der sich als Ordnungsstifter in einer von staatlichen Instanzen verlassenen Welt darstellt. In die hier aufgerissenen politischen und historischen Hintergründe des Milizwesens begibt sich „Atos dos Homens“ leider nicht hinein. Goifman lässt die Situationen ganz für sich sprechen. So bleibt vor allem ein emotional und atmosphärisch dichtes Bild.

Heute 16.30 Uhr (Cinestar 8), 18. 2., 12.45 Uhr (Cinemaxx 3), 19. 2., 19 Uhr

(Cinestar 8)

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FORUM

Der Mann in Rot:

„The Last Communist“ aus Malaysia

Dieser Film ist eine Hybrid-Dokumentation, doch statt Fakten und Fiktion mischt sie Dokumentation und Musical. Im Mittelpunkt steht das Leben von Chin Peng, dem letzten Vorsitzenden der verbotenen Kommunistischen Partei Malaysias (CPM). Während des Zweiten Weltkriegs wurde die CPM zum Spielball der britischen Kolonialmacht im Widerstand gegen die japanischen Besatzer. Als sich die Japaner schließlich zurückzogen, wurden Briten und CPM zu Feinden: Von 1948 bis 1960 befand Malaysia sich im Ausnahmezustand – die Auseinandersetzung mit den im Dschungel ausharrenden Rebellen wurde zum längsten und blutigsten nicht-erklärten Krieg des Commonwealth, und Chin Peng, inzwischen Parteivorsitzender, zum meist gesuchten Mann des British Empire. Er floh nach Thailand, wo er heute noch lebt. Peng will sich einem Gerichtsverfahren stellen, die malaysische Regierung gestattet ihm allerdings keine Rückkehr.

Diese historischen Ereignisse bilden in Amir Muhammads „The Last Communist“ nur den Hintergrund für einen Blick auf die Entwicklung, die Malaysia von Chin Pengs Geburt 1924 bis heute genommen hat. Muhammad hat dafür zahlreiche Interviews geführt: unter anderem mit einem Fahrradverkäufer, einem Fabrikarbeiter, einem ehemaligen Beamten, einem britischen Hobbyhistoriker und ehemaligen Parteimitgliedern. Kommentiert werden sie durch Songs wie „Malaria kills Malaysia“ oder „We are blessed with rubber and tin“. Ein eher inhaltlich als formal überzeugender Film. Sebastian Handke

Heute 19 Uhr (Delphi), 18. 2., 10 Uhr

(Cinemaxx 3), 19. 2., 15 Uhr (Arsenal)

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PANORAMA

Künstler in der Krise:

„Vacationland“ von Todd Verow

Brad Hallowell sieht ein bisschen aus wie Tom Cruise. Dass ihn niemand kennt, hat einen guten Grund: Dieser Schauspieler – wenn man ihn so bezeichnen darf – bewegt sich hölzern, flirtet penetrant mit der Kamera und freut sich, obwohl es gar keinen Grund zur Freude gibt. Immerhin handelt „Vacationland“ von einem jungen Mann in der Identitätskrise. Drei Probleme hat Joe zu bewältigen: seine berufliche Identität, seine sexuelle Identität und ein Kindheitstrauma. Weil er gerne malt, aber zu unbegabt für die Kunsthochschule ist, erpresst er sich ein Empfehlungsschreiben. Das geht so einfach, weil sich sein Kunstlehrer auf öffentlichen Klos herumtreibt. Den Rat, offen schwul zu leben, erteilt ihm seine eigene Freundin. Bleibt noch das Kindheitstrauma: Als er zehn Jahre alt war, ist Joe von einem dicken älteren Mann vergewaltigt worden. Diesem Mann begegnet er in einer Diskothek wieder.

Einen Mangel an Einfällen kann man dem Panorama-Dauergast Todd Verow („Frisk“) nicht gerade vorwerfen. Es gibt interessante Bildkompositionen und atmosphärisch dichte Beschreibungen einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Maine. Verow, bislang Experte für schwule Feel-Bad-Movies, überrascht sogar mit humoristischen Einlagen. Muntere Nebendarstellerinnen trösten über den langweiligen Möchtegern-Star hinweg. Aber der Eindruck von Dilettantismus und Konzeptionslosigkeit überwiegt. Frank Noack

Heute 18 Uhr (Cinestar 3), 18. 2.,

22.45 Uhr (Cinestar 3)

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