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© AFP

Show: "Ben Hur Live": Der Glaube, der Pferde versetzt

Die Arena-Show „Ben Hur Live“ geht auf Deutschlandtour. Sie setzt auf Überwältigung - und ist überwältigend. Im nächsten Jahr soll das Wagenrennen auch in Berlin steigen, möglichst im Flughafen Tempelhof.

Am Ende donnern die Hufe. Die Geschichte des Judah Ben Hur, der zu Jesu Zeiten vom erniedrigten Galeerensklaven zum König der Wagenlenker aufsteigt, seinen Widersacher Messala besiegt und seine geliebte Esther erobert, findet ihren Höhepunkt in einem halsbrecherischen Rennen von fünf Quadrigen, und natürlich sind die Zuschauer in die Hamburger Color Line Arena gekommen, um diesen Wettkampf zu erleben. Er ist spektakulär.

„Ben Hur Live“ nennt sich die Show, die auf dem Roman von Lewis Wallace basiert, die meisten allerdings werden die altrömische Rache- und Erlösungs-Story aus William Wylers legendärer Verfilmung mit Charlton Heston von 1959 kennen. Zur Musik von Stuart Copeland, dem „Police“-Schlagzeuger, erlebt man nun in der lebensechten Version einen Tableaux-Bombast im Fünfminutentakt. Das Tempo ist hoch. Die Inszenierung des Broadway-Regisseurs Philip McKinley lässt Galeeren auf Rädern auffahren und motorisierte Piraten, es gibt eine familienfreundliche Orgie und eine christliche Botschaft, zum Schluss spenden die Zuschauer stehend Applaus.

Mit "Ben Hur" will Abraham alles überbieten

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Franz Abraham. -

© ddp

Der Mann, der „Ben Hur Live“ auf die Beine gestellt hat, heißt Franz Abraham, ist gebürtiger Bayer und das, was man einen Macher nennt. Er gründete in jungen Jahren seine Firma „Art Concerts“ und holte David Bowie oder die Rolling Stones nach Deutschland, später etablierte er das Format der Event-Oper, mit Klassik-Spektakeln wie „Aida on Fire“ oder „Carmina Burana“.

Und das alles will er jetzt mit „Ben Hur“ noch überbieten. Abraham geht mit der Produktion kein geringes Risiko ein. Auch daran ist er gewöhnt, er hat im Laufe seines Unternehmerlebens viel gewonnen und auch mal verloren, das gehört zum Geschäft. In „Ben Hur“ stecken sechseinhalb Millionen Euro, allein für das Gestüt mit 40 Pferden musste er eine Million berappen.

Eine Materialschlacht

Auf zwei Seiten werden im Programmheft die Pionierleistungen gelistet, es liest sich, als müsse hier nicht nur ein gigantischer Arena-Zirkus aufgezogen, sondern eine Materialschlacht gegen die zahlreichen Skeptiker gewonnen werden: Für „Ben Hur“ braucht es 620 Tonnen Sand, 12 Tonnen Lichttechnik, 310 Lautsprecher, 50 Szenenbauten mit einer Höhe bis zu 11 Metern etc. Nicht zu vergessen: die 400 Akteure, Schauspieler und Crew zusammengerechnet. Abrahams Show setzt auf Überwältigung, und das Ergebnis ist überwältigend. Gerade hat „Ben Hur Live“ seine Weltpremiere in London gefeiert, Hamburg ist die erste Deutschlandstation auf der Europatour. Im nächsten Jahr soll das Wagenrennen auch in Berlin steigen, Abraham verhandelt zurzeit mit dem Flughafen Tempelhof. Auch in Rom wird es gezeigt, und zwar im Circus Maximus, wo sonst.

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© dpa

Über Abraham heißt es, er könne gar nicht mehr in kleinen Maßstäben denken. Aber wenn man mit ihm redet, schüttelt er den Kopf und erzählt von einem Projekt mit nordamerikanischen Indianern, das in Planung sei, für nur 1200 Zuschauer pro Show, ein relativ intimer Rahmen.

Hinter den Kulissen

Franz Abraham wirkt bei all dem tatsächlich nicht wie der große Zampano. Er wird oft als Familienmensch beschrieben, der für Zusammenhalt sorgt. Wer vor der Show hinter die Kulissen blickt, der erlebt die hektische Betriebsamkeit eines solchen Unternehmens, klar, aber nach Stress und Kampf sieht es nicht aus. An der Tür zum Arena-Eingang hängt ein Zettel „Freitag Weißwurst-Frühstück“, drinnen werkeln Arbeiter an den enormen Bühnenbauten, zusammensetzbare Metallkäfige, römische Brunnen, die Mark Fisher entworfen hat, der Mann, der auch schon die Bühne für Pink Floyds „The Wall“ designte. Ben Becker reitet in Jeans und Melone vorbei, er wird den Live-Erzähler geben, eine naheliegende Wahl, Erfahrung mit biblischen Stoffen hat er ja.

Abraham selbst improvisiert zwei Stunden vor Beginn einen kleine Pressekonferenz, es werden Plastikboxen neben einem Bus vor der Halle zusammengeschoben, und schon schwärmt der Produzent von seinem Projekt, mit dem er fünfzehn Jahre lang schwanger ging und für das im Vorfeld die etwas unglückliche Bezeichnung „Monutainment“ erfunden wurde. Abraham bevorzugt „Monumental“. Fragt man ihn, ob denn diese Megalomanie noch in die Krisenzeit passe, zuckt er mit den Schultern und sagt: „Ich habe in viele Richtungen tief nachgedacht, aber nicht in diese, denn ich wollte es ja sowieso machen.“ Wahrscheinlich braucht es solche Unbeirrbarkeit, wenn man 60 Sattelschlepper voll modernster Technik auffährt, damit die Zuschauer sich zweieinhalb Stunden lang fühlen können wie vor zweitausend Jahren, wozu auch gehört, dass die Dialoge in Lateinisch und Aramäisch gesprochen werden.

Die Tierschutzorganisation Peta hat sich bei Abraham gemeldet

Man kann nur erahnen, mit welchem Irrsinn sich der Feldherr eines solchen Logistik-Zuges herumzuschlagen hat. Dem Hauptdarsteller musste er gerade beibringen, das lateinische „facemus“ nicht mit K-Laut auszusprechen, in London gab es ein paar Lacher, es klang zu sehr nach „Fuck“. Die Tierschutzorganisation Peta hat sich bei Abraham gemeldet, sie sorgt sich um die Gesundheit der beteiligten Esel, Greifvögel und natürlich der Pferde, die von dem Stunt-Koordinator Nicki Pfeifer trainiert werden. Abraham hält einen Vortrag über die Bewegungslust der Andalusier und darüber, dass das Wagenrennen vor London aus Rücksicht auf den Trainingsstand der Pferde überhaupt nur einmal geprobt werden konnte, was alle in den Wahnsinn getrieben habe.

Er sagt dann noch über seine Show, sie solle „larger than life“ sein, aber der „human touch“ solle nicht verloren gehen. Das tut er auch nicht, bloß werden die Leute nicht wegen der großen Gefühle kommen, sondern wegen der schnellen Pferde. Abraham, der Philosophie studierte und Agnostiker war, bis er zum katholischen Glauben zurückgefunden hat, spricht über die spirituelle Dimension der Geschichte, die auch Nichtgläubige bannen müsse, über „Jesus als ethische Universalgestalt“. Der Glaube allerdings, der hier wirklich fasziniert, ist der von Franz Abraham. An sich selbst.

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