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Kultur: Sie können einfach alles: Ein Sammelband über deutsche Offiziere

"Gefordert ist ein Mann mit "Willensstärke, Charakterfestigkeit, Selbsterkenntnis, Zielstrebigkeit und Zielsicherheit; auf der Seite des Intellekts: logischem Denken, praktischer Intelligenz, Orientierungssinn; auf der Seite des Gefühls: Gefühlswärme, Taktgefühl, Offenheit, soziales Verständnis, Hingabebereitschaft." Stünde das nicht 1934 in einer Fachzeitschrift für die Auswahl von Offiziersanwärtern, so wäre es einfach ein moderner Tugendkatalog, der den Familienvater ebenso zierte wie den guten Chef.

"Gefordert ist ein Mann mit "Willensstärke, Charakterfestigkeit, Selbsterkenntnis, Zielstrebigkeit und Zielsicherheit; auf der Seite des Intellekts: logischem Denken, praktischer Intelligenz, Orientierungssinn; auf der Seite des Gefühls: Gefühlswärme, Taktgefühl, Offenheit, soziales Verständnis, Hingabebereitschaft." Stünde das nicht 1934 in einer Fachzeitschrift für die Auswahl von Offiziersanwärtern, so wäre es einfach ein moderner Tugendkatalog, der den Familienvater ebenso zierte wie den guten Chef.

Die Führungsqualitäten des Offiziers - so scheint es - spiegeln vor allem das wider, was einer Gesellschaft in ihrem Selbstbild wichtig ist. Der Band "Willensmenschen", der die Wandlungen des deutschen Offiziers vom Kaiserreich durch die beiden Weltkriege bis hin zur Bundeswehr in vierzehn Einzelstudien verfolgt, macht dennoch einen zentralen Kern dieser Figur aus: die Idee eines "Willens", der alles durchsetzen, alles verwirklichen kann, was er sich vornimmt - oder: was ihm befohlen wird.

Der Offizier ist Kämpfer und Organisator, opferbereiter Krieger fürs Vaterland, aber auch funktional eingepasstes Element im Räderwerk der militärischen Hierarchie. Dabei ist der Offiziersstand die Fläche von Projektionen, denen zu allererst die Offiziere selbst zum Opfer fallen. Die stramme Haltung, mit der Kommandant Ernst Lindemann 1941 auf dem Vordeck seines sinkenden Schiffes in die Tiefe rauscht, sichert ihm zwarRuhm und ein paar Minuten in der Wochenschau, kostet ihn aber das Leben.

Hinter der Sachlichkeit und Kühle des Preußentums verbirgt sich nicht selten ein geradezu opferwütiger Romantizismus. Der jugendbewegte Weltkriegspoet Walter Flex und der Stefan-George-Jünger Claus Graf Stauffenberg suchen im Militär eine Alternative zur maroden Zivilisation; beide sehnen sich nach einer alles erneuernden Führergestalt, Flex in seinem Romanhelden Wurche, Stauffenberg in George. Beide sterben einen Tod, der in dem Maße heroisch ist, wie er nutzlos ist: Flex reitet mit gezogenem Degen russischen Schützen entgegen; Stauffenberg führt sein Attentat in einem Moment durch, wo, wie er weiß, selbst durch Hitlers Tod fast nichts mehr zu retten ist.

Es scheint, als wäre die heutige Gesellschaft vom Militärfetischismus früherer Zeiten ebenso weit entfernt wie der "Bürger in Uniform" vom preußischen Offizier. Um so interessanter ist es zu beobachten, mit welchem Blick sich die Autoren ihrem faszinierend befremdlichen Gegenstand nähern. Schildert Thomas Medicus seinen Flex mit feingeschliffenem Spott, so bezeugt Michael Wildt doch der Entschlossenheit seines Helden Stauffenberg unverhohlenen Respekt. Bernd Ulrichs Skepsis schließlich legt in den heutigen Forderungen nach einer militärischen Ethik des begrenzten "humanitären Einsatzes" eine neue - und eben auch alte - gesellschaftliche "Lizenz zum Töten" frei.

Was aber den Charme des Offiziers "vom alten Schlag" ausgemacht haben muss, zeigt Karin Wieland ausgerechnet an der Offizierstochter Marlene Dietrich. Deren lasziver Blick durch das Monokel, unverzichtbarer Fetisch des wilhelminischen Offiziers, oder ihr Auftritt in amerikanischer GI-Uniform machen gerade durch ihre ironische Brechung für uns von ferne jenen Zauber spürbar, den die Damen einst beim Anblick eines aufgezwirbelten Schnurrbarts empfunden haben müssen.Ursula Breymayer, Bernd Ulrich, Karin Wieland (Hg.): Willensmenschen. Über deutsche Offiziere. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999. 239 Seiten. 28,90 DM.

Eva Horn

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