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Kultur: Sie malen wieder

Ein

von Nicola Kuhn

Als im Mai das riesige Kunstlager im Londoner East End abbrannte und über hundert Werke der Sammlung Saatchi verkohlten, orakelte mancher: Jetzt ist es endgültig aus mit den Neunzigerjahren und den Young British Artists. Schlüsselwerke von Damien Hirst, Tracy Emin und den ChapmanBrüdern, die zuvor nur die Gemüter erhitzten, gingen real in Flammen auf. Eine Tragödie für die britische Gegenwartskunst, hieß es. Nun kommt es noch schlimmer.

Jetzt straft der Großsammler Charles Saatchi seine einstigen Schützlinge auch noch mit Nichtbeachtung. Im gerade vorgestellten Jahresprogramm seiner Galerie taucht keiner der Namen mehr auf, mit denen der Multimillionär noch wenige Jahre zuvor für „Sensation!“ sorgte – so der gleichnamige Titel seiner Ausstellung, die nach der Londoner Royal Academy unter anderem im Hamburger Bahnhof Berlin zu sehen war. Ein Zwist zeichnete sich schon länger ab, seit sich Saatchi und sein Lieblingskünstler Damien Hirst öffentlich beschimpften. Vorläufiger Höhepunkt war der Rückerwerb etlicher Werke aus der Sammlung durch den Künstler selbst, um einem möglicherweise ruinösen En-bloc-Verkauf durch Saatchi zu begegnen.

Hirst handelte keinen Tag zu früh. Denn über Saatchis Ankündigung für das Jahr 2005, in dem er zugleich das zwanzigjährige Bestehen seiner Galerie feiern wird, prangt das Motto „Triumph der Malerei“. Hirsts Hai in Formaldehyd, Tracy Emins Lotterbett und Ron Muecks „Toter Dad“ wandern bis auf weiteres ins Depot oder gehen auf Ausstellungsreise. Stattdessen rücken Martin Kippenberger, Peter Doig, Marlene Dumas, Luc Tuymans, Jörg Immendorff und Hermann Nitsch ins Blickfeld. Saatchi, dessen Vorliebe bislang eher der Objektkunst galt, erbringt nun den „Beweis, dass Malerei nie tot war noch jemals sterben wird“, wie es im neuen Galerieprogramm heißt.

Diese späte Erkenntnis überrascht. Bisher hat der Werbefachmann Saatchi selber die Marken gesetzt. Hier nun besinnt er sich auf alte Werte, denen allerdings der Ausstellungsbetrieb seit längerem wieder frönt. Sollte der alte Stratege Saatchi – von dem Hirst behauptet, er liebe die Kunst wie der Wolf das Schaf – tatsächlich geläutert sein? Mitnichten. Des Sammlers Appetit auf Kunst ist keineswegs gestillt, nur hat er sich ein anderes Menü bestellt. An seiner Person lassen sich die Wechselfälle allgemeiner Trends verfolgen, die stets dem Gegenmodell den Vorzug geben. Die Malerei musste ohnehin wiederkommen.

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