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Kultur: Sie waren Helden

Wildheit als Konzept: Albert Oehlen in der Galerie Hetzler, Rainer Fetting und Elvira Bach bei Markus Deschler

Was in den achtziger Jahren die „Berliner Wilden“ mit Rainer Fetting, Elvira Bach, Helmut Middendorf, Salomé und anderen waren, formierte sich in Köln mit Albert Oehlen, Martin Kippenberger, Werner Büttner, Jiri Dokoupil zur Wildheit als Konzept fröhlicher Berserker. Und als der Hype vorüber war, suchten viele der Berliner eine beendete Zeit zu verlängern, während Kippenberger und Oehlen ihr Werk auf Konfrontationskurs mit der Gegenwart hielten. Das zeigt sich einmal mehr in Oehlens Einzelausstellung bei Max Hetzler – und um so deutlicher, wenn man sie mit der überraschenden Doppelausstellung von Rainer Fetting und Elvira Bach bei Markus Deschler vergleicht.

In der Galerie Deschler hängen die frischen Fettings und Bachs, als wären die letzten zwanzig Jahre storniert worden. Rainer Fetting malt neben gewaltigen Rückenakten (43 000 Euro) noch immer Varianten der zu Recht gerühmten „Duschbilder“. Seine Faszination am nackten Körper in der Nacht hält ihn fest im Griff (40 000 Euro).

Ebenso fertigt Elvira Bach ihre zum Logo erstarrte Schlangenfrau in gewohnt kraftvollen Neuauflagen – bei Deschler im triumphal raumbeherrschenden Breitwandformat (82 000 Euro). Beide tänzeln fasziniert um eigene Zitate und touren bisweilen mit Salomé als Revival-Gruppe durch Nostalgiezonen Europas. Wer von Künstlern Dacapos wünscht, befindet sich im Glück. Wer Entwicklung erwartet, sieht in der beispielhaften Ausstellung sehr schön, dass die Maler wie blockierte Jungautoren ihre ersten Bestseller als Cover-Versionen anbieten und verzückt im Zauber des Beginns verharren.

Bedenkt man, dass die Traditionen einer Stadt aus einem Netz von Bezügen bestehen, die weitergeknüpft werden oder als lose Enden hängen bleiben, hat das zunehmende und von treuen Sammlern umhegte Nischendasein der Ex-Wilden den Nachteil, dass sich jüngere Maler nun ein Werk erarbeiten können, ohne gegenüber den Superstars der Malerei von damals Position beziehen zu müssen. Es war ein großer Anfang ohne Folgen. Fetting und Bach assoziiert man mit den achtziger Jahren. Daran ändert auch diese Ausstellung nichts.

Das ist bei Albert Oehlen anders. Seine Bilder fordern zu Reaktionen heraus, als müsste man sich dadurch selbst definieren. Daher brachte er ebenso Schüler wie gute Gegner hervor – von Daniel Richter bis André Butzer, von Rainald Goetz bis Diedrich Diederichsen. Er wird regelmäßig zu Übersichtsschauen eingeladen, zuletzt auf die Biennale Lyon 2003, im kommenden Jahr ins Miami Museum of Contemporary Art, und bewahrte genug destruktive Fantasien, sein vorangegangenes Werk immer wieder zu dekonstruieren, um das Neue ins Ungeklärte zu stellen. Seine Entwicklung definiert sich aus Gegenbildern und fundiert Qualitäten, die ihn von den Routiniers seiner Generation abheben. Er vermutet den Glutkern der Malerei dort, wo – wie bei „Schallplattenexistenz“ oder „Malerei auf Abruf“ (je 100 000 Euro) – Bilder ans Licht kommen, von denen er selbst nicht sagen kann, was sie sind. Diese Gegensprache kombiniert er aus einem Verschnitt medial verfügbarer Bilder, die er sampelt, mixt und mit dem Pinsel surreal überdehnt. Bei manchen hält sich der Eindruck, es handele sich um Nonfinitos. Nicht jedes Bild kickt. Doch darauf kommt es bei Oehlen nicht an, der die Tiefen einer Karriere ebenso kennt wie die Höhen. Sein Kompass bleibt experimentell auf Gegenrichtung zum Geläufigen eingestellt. Deshalb kann man Oehlens kritische Methode schätzen und manche Bilder trotzdem grauslig finden. Sein wahres Werk kommt erst jenseits von Geschmacksfragen in den Blick. Er malt im Angesicht der Kunstgeschichte: Diskursbilder für das Museum.

Wie Fetting und Bach zitiert auch er aus früheren Werken. Doch während die Berliner die eigenen Zitate selbstverliebt optimieren, jagt Oehlen sie durch den Schredder: Destruktion in konstruktiver Absicht, um dem Visuellen den sprachlichen Zugriff zu entziehen, so dass Kritiker, Punker und Banker unisono sagen: „Was für ein virtuoses Geschmiere! Kommt stark.“ Im ZKM Karlsruhe beginnt nächste Woche ein „Rückblick auf die Wilden“. Er vereint die Kölner und Berliner und ist seit langem die größte Retrospektive auf das Malwunder der achtziger Jahre.

Galerie Markus Deschler, Auguststraße 61, bis 4. Oktober, Dienstag bis Sonnabend 13– 18 Uhr.

Galerie Max Hetzler, Zimmerstraße 90/91; bis 25. Oktober; Dienstag bis Sonnabend 11–18 Uhr.

Peter Herbstreuth

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