zum Hauptinhalt

Kultur: Sieben Schlüssel

Vor den Taliban gerettet: Das Pariser Museum Guimet zeigt die Kunstschätze Kabuls

Seit die Taliban im März 2001 die Buddha-Statuen von Bamiyan sprengten, hat die Barbarei religiöser Bilderstürmer in Afghanistan einen Namen. Jetzt ruft eine Ausstellung die Namen der Kulturen in Erinnerung, die die Geschichte des Landes zwischen dem dritten Jahrtausend vor Christus und dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung prägten. Im Pariser Musée Guimet, dem Museum für asiatische Künste, sind Goldschmuck, Bronzestatuen, Elfenbeinschnitzereien, Steinskulpturen, bemalte Gläser, Sonnenuhren zu sehen – 220 Stücke aus dem Museum von Kabul, genauer: was von den Beständen nach 20 Jahren Krieg geblieben ist.

Die Schau konzentriert sich auf vier Fundstätten, die Afghanistans Bedeutung als Schmelztiegel kultureller Strömungen aus dem Mittelmeerraum, dem heutigen Irak und Iran, Indien, China und den Steppen zeigen. Die ältesten Stücke stammen aus Fullol im Norden, wo Bauern 1966 Gold- und Silberbecher zutage förderten. Sie wurden dem Bactriane-Reich zugeordnet, das zwischen 2200 und 1800 vor Christus Afghanistan, den Süden Tadschikistans und Usbekistans umfasste. Etwa 1500 Jahre danach eroberte Alexander der Große das Land, wo er sich 327 vor Christus in Balkh mit Roxana vermählte. Unweit entdeckten französische Forscher 1964 die Reste der Stadt Ai Khanum, aus deren Ruinen sie eine Aphrodite sowie steinerne Sonnenuhren ausgruben. Den spektakulärsten Fund gab es 1978, ein Jahr vor der Invasion durch die Rote Armee, bei Tillia-Tepe. Dort legten sowjetische Forscher Gräber nomadischer Fürsten frei, denen Goldschmuck, insgesamt 20 000 Einzelstücke, mit griechischen und indischen Stilelementen beigegeben war. Woher die „Aristokraten der Steppe“ kamen, bleibt ein Rätsel.

Rund 100 000 Objekte hat die Museumssammlung von Kabul einst umfasst. Davon blieb nur ein Drittel erhalten. Als die letzten sowjetischen Truppen 1989 abzogen, war das Museum unversehrt. Erst 1992, als die Mudschaheddin in Kabul einmarschierten, geriet es unter Raketenbeschuss. Zur selben Zeit, noch vor dem Machtantritt der Taliban, wurden auf dem Basar der grenznahen pakistanischen Stadt Peschawar die ersten Elfenbeinschnitzereien angeboten, die aus dem Museum stammten.

Dass dennoch ein Teil des Kulturerbes erhalten blieb, grenzt an ein Wunder. Vor dem Einmarsch der Taliban hatte der letzte kommunistische Machthaber Kisten mit dem Wertvollsten in die Nationalbank bringen und mit sieben verschiedenen Schlüsseln von sieben verschiedenen Personen verschließen lassen – für die Taliban ein unüberwindbares Hindernis. 2004 machte Präsident Hamid Karsai die Entdeckung publik. Nach ihrer Restaurierung werden die wiedergefundenen Schätze jetzt erstmals in Paris gezeigt. Danach sind Ausstellungen in Bonn, Amsterdam und den USA geplant. Nach Afghanistan sollen sie vorerst nicht zurückkehren – aus Sicherheitsgründen.

Musées des arts asiatiques Guimet, Paris, bis 30. April 2007.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false