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Kultur: Siegen lernen mit Che

Sie sehen aus, wie Revolutionäre aussehen, seit Che Guevara die Blaupause geliefert hat. Stolz und unrasiert blickte der Argentinier am 5.

Sie sehen aus, wie Revolutionäre aussehen, seit Che Guevara die Blaupause geliefert hat. Stolz und unrasiert blickte der Argentinier am 5. März 1960 der Weltrevolution entgegen und der Fotograf Alberto Korda drückte auf den Auslöser – ohne zu ahnen, dass sein Porträt zu einer Ikone werden würde, die einmal T-Shirts und Zigarettenschachteln schmückt. Ähnlich verwegen wirken nun die Porträts der libyschen Aufständischen: Sie tragen „Uniformen“ aus Lederjacken, Palästinensertüchern und Baskenmützen. Sie haben ungezähmtes Haar, wilde Bärte und Zigaretten im Mundwinkel. Sie ziehen mit Panzerfäusten, Schrotflinten und Messern in den Krieg. Und sie sind häufig, wie damals Guevara, leicht von unten fotografiert, was ihnen eine Aura des Heroischen verleiht, insbesondere wenn sie ihre Augen in die Ferne richten, wo der Sieg über den Tyrannen oder der Tod warten mag. Wenn sie eine Salve abfeuern, rufen sie: Allahu Akbar!

Stimmen die spärlichen Informationen über die libyschen Aufständischen, dann lügen diese Fotos nicht, dann handelt es sich wirklich um einen Haufen Abenteurer, getrieben von Verzweiflung und Adrenalin. Es sind Fotografien, wie man sie seit den Guerillakriegen in Lateinamerika nicht mehr gesehen hat. Sie illustrieren den Kampf Davids gegen einen mit westlichen Waffen und Dollars aufgeblasenen Goliath. Das schöne Gute streitet gegen das hässliche Böse. Das Gegenstück zu diesen kantigen Porträts sind nicht umsonst die Fotos des schweinsäugigen Gaddafis in selbstherrlichem Gewande.

Und doch behaupten die Bilder einen Zusammenhang, der nicht existiert. Denn diese Guerilleros sehen zwar aus wie Guerilleros, haben aber keine Ahnung von Guerillakrieg. Dieser ist immer der Versuch, die Frage zu beantworten, wie der Schwache Krieg gegen den Starken führen kann. Mao Zedong formulierte es so: „Ich habe zehn Kämpfer gegen hundert. Aber ich greife nur an, wenn zehn gegen einen kämpfen.“ Ein Leser Maos schloss daraus: „Beginne kein Gefecht, das du nicht gewinnen kannst.“ Es war eben jener Che, der den Satz in seiner Partisanenfibel notierte. Darin erklärte er die Regeln des Guerillakriegs: „Greif an, hau ab. Warte, liege im Hinterhalt. Schlag zu. Lass dem Feind keine Ruhe.“ Hier liegt wahrscheinlich die Crux der Libyer. Es gibt keinen Dschungel, nicht einen Baum, keine Berge, wohin sie sich zurückziehen könnten. Stattdessen rennen sie in die Hinterhalte der Armee. Sie scheinen nicht zu begreifen, was die conditio sine qua non des Partisanenkriegs ist: die Zurückhaltung. Auch dieser individualistische Überschwang ist in den Bildern der Kämpfer wiederzufinden: das Gefallen an der Pose, die Hand zum Victory-Zeichen erstarrt.

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