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Siegergeschichte der Schüler: Ein Sturz, ein Knall

... und ein Verdacht: Pablo Rabes gewann mit seiner Geschichte den ersten Preis der Schüler.

Verdammt! Musstest du unbedingt in diesem Drecksabfahrtslauf noch diese verdammte Viermeter-Schanze mitnehmen? Nein! Und was ist passiert? Knie verdreht, Bänderriss, drei Monate keinen Sport! Super gemacht, Luzian. Adriana wird mich töten, wenn sie hört, dass ich mit ihr nicht am „European Tango of Argentina“-Wettbewerb teilnehmen kann. Adriana. Sie war so stolz. Wofür haben wir denn die letzten Wochen geübt?

Ich bin Luzian Hüblisbach und werde in dreieinhalb Minuten in einem Meer von argentinischen Tränen meiner Freundin Adriana Hernández versinken. „Luuuuuz!! Was habe du gemacht?“ Eine seltsame Mischung aus Feststellung und Frage. „Ich halte das nicht aus, warum du... jetzt ... genau jetzt …?“ Die ersten Tränen fließen. Ihr Blick zermalmt mich und sagt mir, dass ich in den nächstenWochen nicht viel Spaß am Leben haben dürfte. Adriana ist die ehrgeizigste Frau, die ich kenne. Sie ist Tanzlehrerin und studiert mit mir den argentinischen Tango ein. Wir beide haben schon seit vier Wochen einen unglaublich verzwickten Tanz geübt, den wir beim „European Tango of Argentina“-Wettbewerb aufführen wollten. Nur mal so eben der größte europäische Tanzwettbewerb.

Das ist Adriana. Und ich? Ich mach mir natürlich schon bei dem Gedanken an den Tanz in die Hosen, aber was willst du tun, wenn dich diese bildhübsche Adriana in ihren Bann zieht?

Zurück zum Thema: Adriana läuft auf mich zu und sagt nicht etwa „Wie hast du schlimme Verletzung gemacht, mein Schatz? Was ist passiert?“, sondern „Wie lange kannst du keine Sport machen? Kannst du tanzen an die Wettbewerb?“ Ich: „Mein Schatz, ich glaube: das wird nichts.“ Es fällt mir schwer, die Fassung zu bewahren, vor allem, weil ich weiß, dass Adriana in drei, zwei, eins ... „Aaaaaaaaaaah!!!!!!“. Sie sprintet in ihr Zimmer, schließt dreimal ab, wie immer, wenn sie wütend ist, und ich wette, dass die ganze Nachbarschaft jetzt ihr Winseln hört, das wie ein Hund klingt, der seit zwei Wochen nichts mehr zum Essen gekriegt hat. Mein Gott, diese Weiber!

Heute ist der große Tag. „Willkommen beim European Tango of Argentina“, brüllt ein übergewichtiger Wichtigtuer in sein Mikrofon. „Komm’n Se näher, komm’n Se ran, hier sehen Sie die besten, herzzerreißendsten Tangopaare dieser schönen Welt!“ Wer kann dem mal das Maul stopfen. Mein Gott. Und wie aufs Stichwort kommt José, dieser …

„Hallo Luuuuuzian! Wie geht es dir, mein Freund? Ich freue mich ja so dich zu sehen.“ Blöder Schleimbolzen. Das ist so’n hinterhältiger Spaniertyp. Genau so einer von der Marke, die dir deine Freundin ausspannen, wenn du mal ’ne Sekunde nicht hinschaust. Ganz lieb tun und dann hinter deinem Rücken …

Vor zwei Wochen war die Sache mit dem Sturz und seitdem ist alles anders. Adriana, dieses Biest, hat sich einen neuen Partner gesucht, weil ich ein verdammter Krüppel war (und bin) und drei Mal darfst du raten, wer dieser Partner ist! José.

Jetzt kommt Adriana hineingetänzelt. Ein künstliches Lächeln und ein nettes „winke-winke“ helfen mir so etwas von gar nichts. Ich bin stinksauer. José. Die beiden fangen an, ein letztes Mal ihren beziehungsweise unseren Tanz zu üben. Mir wird kotzübel, wenn ich nur sehe, wie sich die beiden verschlingen beim Tanz. Das sollte dein Platz sein, wo dieser verdammte José gerade ist. José.

Ich gehe zur Bar. Ich muss jetzt herunterkommen. Luz, du darfst nicht so eifersüchtig sein, sonst passiert noch ein Unglück. Die Stimme in meinem Bauch hat recht. Ruhig, Luz! „Ein Bier, bitte.“ Vielleicht hilft mir jetzt etwas zum Süffeln.

Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber auf jeden Fall überschlagen sich die Ereignisse. Ein Knall. Hört sich an wie ’n Böller. Ich fahr’ herum. Eine Gruppe von Leuten rennt wild durcheinander. Ich drehe mich wieder um und sehe einen Barkeeper, der seine Augen so weit offen hat, als ob hinter mir ein drei Meter großes Chamäleon mit 16 Augen steht und ihn in Zeichensprache anspricht. Er sabbelt und murmelt etwas und zeigt hinter mich. Ich ticke innerlich total aus. Im Augenwinkel erkenne ich Adriana. Hm. Doch was macht sie? Sie bückt sich. Ist das José, der da am Boden liegt? Wahrscheinlich ausgerutscht, der Vollidiot. Wieso schreit Adriana? Ich renne hin. Oh Gott, schön wär’s, ausgerutscht.

Ich weiß zuerst nicht, wie ich die Schusswunde an Josés Schläfe und seinen reglos daliegenden Körper verarbeiten soll. - „Duuuuuu! ER WAR ES!! Geben es zu, Luzian. Du haben eifersüchtig zu José, aber warum haben ihn erschießen? Ich kann nicht glauben!“ Dieses verdammte Weib, Adriana. Natürlich entsteht nun ein Riesenhaufen von Menschen um mich herum. Die Polizei. Handschellen. Ich muss aufs Revier und mich verantworten.

Ein anderes Mal schreibe ich diese Geschichte fertig. Es kommt grad Gefängniswärter Kalle vorbei und klopft an die Zelle. „Na mach schon, Junge. Sieh zu, dass du dich in die Kantine bewegst. Essen ist fertig.“

Leicht gekürzte Fassung.

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