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Kultur: Sind Sie ein glücklicher Mensch, Miss Lewis? Ein Gespräch mit dem jungen Hollywood-Star

Juliette Lewis, 26, gehört zu den erfolgreichsten jungen Schauspielerinnen Hollywoods. Mit Robert de Niro drehte sie 1991 "Kap der Angst" und wurde als beste Nebendarstellerin für den Oscar nominiert.

Juliette Lewis, 26, gehört zu den erfolgreichsten jungen Schauspielerinnen Hollywoods. Mit Robert de Niro drehte sie 1991 "Kap der Angst" und wurde als beste Nebendarstellerin für den Oscar nominiert. Später spielte sie in "Gilbert Grape" und Woody Allens "Ehemänner und Ehefrauen". Mit Woody Harrelson spielte sie in Oliver Stones umstrittenen "Natural Born Killers" das Pärchen Mickey und Mallory, das mordend durch die amerikanische Provinz fährt. An diesem Donnerstag läuft ihr neuer Film "Ganz normal verliebt" in den deutschen Kinos an. Mit Juliette Lewis sprach Christoph Amend.

Miss Lewis, ist es gefährlich, sich mit Ihnen zu treffen?

Wirke ich so furchterregend?

Nein, es heißt nur, Sie nähmen seit einiger Zeit Box-Unterricht...

... deshalb werde ich Sie für jede dumme Frage mit einem Faustschlag bestrafen? Keine Sorge, ich bin in friedlicher Stimmung. Ich komme gerade aus der Kirche. Das hat etwas Exotisches für mich: In Amerika gibt es ja keine jahrhundertealten Kirchen. Hier bin ich eine typische amerikanische Touristin, die naiv über die beeindruckende Geschichte Europa staunt.

Kirchenbesuche? Mit dem Namen Juliette Lewis verbindet man eher Kokain, ein tragisches Verhältnis zu Brad Pitt und die Schwierigkeit, in Hollywood großzuwerden.

Ach, wissen Sie, ich bin jetzt 26. Im Alter von 13 Jahren habe ich meine erste Rolle gespielt, in der Fernsehserie "Homefires". Das ist 13 Jahre her. In der Zwischenzeit habe ich Filme gedreht wie "Natural Born Killers" oder "Kap der Angst". Wenn ich in dieser Zeit nicht dazugelernt hätte, müssten sich meine Eltern ernsthaft Sorgen machen.

In Ihrem Film "Ganz normal verliebt" spielen Sie Carla, ein geistig leicht behindertes Mädchen, das versucht, sich durchzusetzen.

Es ist, als ob diese Mädchen unter Blinden lebt: Niemand sieht, welche Wünsche sie hat, welche Träume.

Wie würden Sie sich selbst einem blinden Menschen beschreiben?

Mein Aussehen oder mein Wesen?

Zuerst das Aussehen.

Ich habe braune Haare, ich habe eine sehr feminine Figur, und ich bin trotzdem dünn. Vielleicht bin ich ein bisschen wie Carla: Manchmal sozial schwer verträglich, weil ich immer ehrlich bin. Das bringt Probleme mit sich, im Beruf und auch in der Liebe.

In einem Interview mit einer US-Filmzeitschrift haben Sie gesagt: "Die Trennung von Brad Pitt werde ich niemals verwinden". Haben Sie sich seitdem nie wieder verliebt?

Bin ich so ein hoffnungsloser Fall? Ich bin zwar zur Zeit in keiner Beziehung, aber ich bin jung und genieße es, allein zu sein. Als ich jünger war, auch zu der Zeit, als ich mit Brad zusammen war, habe ich ständig über die große Liebe nachgedacht. Heute sehe ich das gelassener. Lassen Sie es mich lieber so sagen: Ich habe zur Zeit keine Beziehung und komme damit einigermaßen zurecht.

Mit Brad Pitt, einem der begehrtesten Männer Hollywoods, waren Sie dreieinhalb Jahre zusammen. Wie übersteht man die Trennung von einem Sex-Symbol?

Ich bin morgens neben ihm aufgewacht, und selbst nach einer langen Nacht und wenig Schlaf sah Brad immer aus wie im Kino. Als ob die Natur seine persönliche Stylistin wäre. Und man selbst steht auf und sieht im Spiegel die Spuren der Nacht. Das kann auf Dauer ganz schön frustrierend sein. Unser spezielles Problem war aber der Altersunterschied. Heute weiß ich, dass ich einfach zu jung war, um in einer ernsthaften Beziehung zu leben. Ich war 16, ein Teenager, als wir zusammen kamen, Brad war zehn Jahre älter. Er war ein Star, ich habe ihn angehimmelt. Da haben Sie das Problem.

Kurze Zeit nach der Trennung begannen Sie, Drogen zu nehmen.

Es war aber keine direkte Reaktion auf die Trennung. Die Antwort auf die Frage, warum sich jemand selbst zerstören will, ist viel komplizierter als nur Beziehungsprobleme. Ich war keine Partygängerin, ich habe keine Orgien gefeiert, ich hatte keine tolle Zeit. Sie können mein Verhalten nicht mit einem Partyunfall vergleichen, so als ob ich eher zufällig angefangen hätte, Drogen zu nehmen. Es war nichts anderes als ein langfristig angelegter Selbstmordversuch. Erst Marihuana, dann Pillen, dann die härteren Gifte. Sie haben mich komplett verändert: Ich wurde asozial und verlor meine Freunde. Ich war einfach nicht glücklich.

Warum?

Tja, warum will ein Mensch, der beruflichen Erfolg hat, sich selbst kaputtmachen? Leider ist das nicht mit einem Satz zu beantworten. Ich bin jedenfalls in Therapie gegangen und habe meine Abhängigkeit erfolgreich bekämpft. Alles andere ist meine private Angelegenheit.

Der Regisseur Martin Scorsese hat einmal über Ihre Arbeit gesagt, Sie besäßen die seltene Gabe von "emotionaler Wahrheit".

Das ist schön zu hören, ich danke ihm für das Kompliment.

Er hat Sie deshalb mit James Dean verglichen.

Wissen Sie, es ist zwar erst ein paar Monate her, dass meine Drogenprobleme öffentlich wurden, aber das Ganze passierte vor fast vier Jahren. Mir kommt es vor wie ein anderes Leben. Vielleicht wollte Martin Scorsese diese Gefahr beschreiben, die viele Nachwuchsstars nicht sehen wollen. Sie denken nicht nach, sie wollen nur ihr Leben genießen - und schmeissen es doch weg. Ich habe angefangen darüber zu reden, weil ich dafür stehe, dass man selbst in Hollywood aus diesem Elend herauskommen kann.

Sind Sie gern allein?

Wenn Sie damit nicht einsam meinen: Ja. Ich bin Anfang des Jahres umgezogen, in eine eigene Wohnung, da bin ich öfter allein. Aber ich gebe zu, dass meine beste Freundin nur drei Häuser weiter wohnt. Sie reist mit mir gerade durch Europa, schließlich kenne ich hier niemanden. Ich bin froh, dass sie mitkommen konnte. Um mich herum nur Fremde, das würde ich nicht aushalten.

Carla, das Mädchen in "Ganz normal verliebt", fühlt sich auch fremd. Ihre Mutter hätte am liebsten, wenn sie behütet in einem Heim wohnen würde. Auch wenn man das wahre Leben nicht mit der Leinwand verwechseln sollte: Sie scheinen sich wohl zu fühlen in der Rolle der Missverstandenen.

Carla hat etwas Ungeschliffenes, und so fühle ich mich oft. Hineingeworfen in eine fremde Welt, in der ich mich erst einmal zurechtfinden muss. Solange das nicht geschehen ist, stoße ich mich gelegentlich und hole mir blaue Flecken.

War einer dieser Momente die Oscar-Nominierung für Ihre Rolle in "Kap der Angst"? Sie waren damals gerade 18 Jahre alt.

Ich erinnere mich wie heute an die Nacht der Verleihung, ich habe mich gefühlt wie Cinderella. Wow, ich war nominiert! Der Traum eines jeden Schauspielers. Aber niemand hatte mich gewarnt, was das für meinen Alltag bedeutete. Du merkst, dass irgendwelche Leute dich plötzlich auf der Straße anstarren. Du hörst, wie sie hinter dir flüstern, wenn du ein Restaurant betrittst. Du holst dir blaue Flecke auf der Seele.

Können Sie einen der "blauen Flecke" beschreiben?

Eines Abends bin ich in Los Angeles mit Freundinnen ausgewesen. Da begegneten uns auf der Straße zwei sehr, sehr hübsche Jungs. Einer sah zu uns herüber und sagte zu seinem Freund: "Schau mal, ist das nicht Juliette Lewis?" Und der sagte ziemlich laut: "Ach was, die da drüben ist doch viel fetter". Solche Sätze können sehr verletzen.

Wie gehen Sie damit um?

Jung-Stars machen oft die gleichen Fehler: Entweder sie versuchen, ihren Status zu ignorieren oder sie rebellieren dagegen. Die wenigsten von uns werden souverän geboren. Ich bin davor geflohen, habe mich eingesperrt und die Vorhänge zugezogen.

Sie waren dann eineinhalb Jahre lang in Therapie und haben sich in Hollywood lange Zeit nicht sehen lassen. Hatten Sie nie Angst, Sie könnten nicht mehr zurückkehren?

Nein, nie. Erst in dieser Zeit habe ich verstanden, worin mein Talent als Schauspielerin besteht. Vorher wusste ich nicht, warum ich spielen konnte, ich war ja nie in einer Schauspielschule. Erst als ich mich selbst verstanden hatte, als ich wusste, was meine Stärken sind, konnte ich sie bewusst ausspielen. Vielleicht ist es das, was Martin Scorsese mit "emotionaler Wahrheit" meint.

Sie hatten wirklich nie Zukunftsängste?

Natürlich hatte ich die. Du merkst, dass du nicht mehr 18 bist. Ein schreckliches Gefühl.

Jeder Mensch wird doch älter.

Sie reden mit einer Lady! Gehen Sie lieber in Deckung. Gleich fliegt meine Faust.

Miss Lewis[sich mit Ihnen], ist es gefährlich[sich mit Ihnen]

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