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Gutgelaunter Jubilar: Sir Simon Rattle.

© Tim Brakemeier/dpa

Sir Simon Rattle zum 60. Geburtstag: Exkursion in finnische Klangwelten

Sir Simon Rattle, der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, feiert heute seinen 60. Geburtstag. Viel bleibt ihm nicht zu wünschen, außer: mehr Sibelius. Eine Gratulation.

Mit dem „Bis dass der Tod euch scheidet“ hat es ja bei Simon Rattle nicht immer so gut geklappt. Von der Sopranistin Elise Ross, die er 1980 heiratete, trennte sich der Dirigent Mitte der neunziger Jahre – „unter unerfreulichen Umständen“, wie sein Biograf Nicholas Kenyon es mit britischer Zurückhaltung formuliert. Und auch die zweite Ehe, mit der Schriftstellerin Candace Allen, scheiterte.

Wirklich lebenslang dagegen wird wohl Sir Simons Beziehung zu Jean Sibelius halten. Unter den allerersten Platten die er sich als Teenager kauft, sind bereits Werke des finnischen Komponisten. Als der ebenso musikverrückte wie frühreife Liverpudlian dann 1974 den John-Player-Dirigentenwettwerb gewinnt und eine Assistenzstelle beim Bournemouth Symphony Orchestra erhält, sitzt der 19-Jährige in jeder Probe, wenn Maestro Paavo Berglund mit den Musikern Sibelius-Sinfonien einstudiert. Was Rattle fasziniert, der seine Karriere ja als Schlagzeuger begann, ist die originelle Behandlung von Takt und Tempo. Ebenso fühlt er sich aber auch von den atmosphärischen Extremen dieser Musik angezogen: „Gerade in den Sinfonien hat man fast nie das Gefühl, da sei jemand“, sagt er im aktuellen „128“-Magazin der Berliner Philharmoniker. „Wenn überhaupt Menschen vorkommen, dann gleichsam im eigenen Dickicht der Angst: Wer sich dorthin begibt, kommt möglicherweise nicht zurück.“

Als Simon Rattle 1980 musikalischer Leiter des City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO) wird, legt er selbstverständlich einen Repertoireschwerpunkt auf Sibelius. Bald entschlüsseln er und die Musiker die rätselhaften Partituren so souverän, dass sie vom Label EMI für eine Gesamtaufnahme engagiert werden. Rattles Liaison mit den Birminghamern, denen er bis 1998 treu bleibt, wird zu einer weltweit beachteten Erfolgsgeschichte – und bringt ihm auch die erste Einladung in die Berliner Philharmonie ein.

Viel hat Sir Simon Rattle in Berlin bewegt

Mit Karajans Orchester zu musizieren, traut er sich da noch nicht zu, aber er leitet ein begeistert beklatschtes Gastspiel des CBSO bei den Festwochen 1984. Auf dem Programm: die Fünfte von Jean Sibelius. Als er schließlich 1999 das Rennen um Claudio Abbados Nachfolge bei den Philharmonikern für sich entscheiden kann, ist das sogar der Boulevardzeitung „The Sun“ einen Leitartikel wert. Sibelius sei Dank: Der zuständige Redakteur nämlich hatte als Student Rattle live mit den Sinfonien erlebt – was ihn nachhaltig beeindruckte.

Viel hat Sir Simon in Berlin bewegt: die Educationarbeit von der Insel mitgebracht, Klangfarbensinn und stilistische Wendigkeit der Musiker gefördert, viel Französisches und Tschechisches dirigiert, für lebende Komponisten geworben und Igor Strawinskys „Sacre du printemps“ zum signature piece des Orchesters gemacht. Nur mit seiner Sibelius-Leidenschaft vermochte er nicht recht zu landen. 2010 setzte er zwar eine zyklische Serie der Sinfonien durch, doch gibt er im Philharmoniker-Magazin zu: „Wenn ein Orchester nicht von vornherein die gleiche Liebe für diese Musik hegt wie ich, gestaltet sich die Arbeit sehr zäh.“ Dennoch hat sich Simon Rattle von den Philharmonikern zum Sechzigsten erneut eine Gruppenexkursion in die Klangwelten des Finnen gewünscht: Am 28. Januar geht es los, einen zweiten Durchgang gibt es dann im Februar in London.

Ehe Nummer drei startete Rattle 2008 mit der tschechischen Sängerin Magdalena Kožena. Im vergangenen Juni wurde das dritte gemeinsame Kind des Paares geboren, eine Tochter namens Anežka. Darum zum heutigen Ehrentag ein doppelter Gruß: Happy birthday and lots of love!

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